© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/98 12. Juni 1998

 
 
Essen: Zentrum für Türkenstudien malt den Islam in hellen Farben
Kopftuch schützt vor Sonne
von Arno Müller

In Nordrhein-Westfalen gibt es inzwischen ein vielfältiges Netzwerk von Institutionen, die an der Verwirklichung der multikulturellen Gesellschaft arbeiten. Eines davon ist das Essener "Zentrum für Türkeistudien", das aus dem Landeshaushalt finanziert und mit zahlreichen lukrativen Gutachten-Aufträgen der Landesregierung bedacht wird. Eines dieser Gutachten ist die Studie "Türkische Muslime in Nordrhein-Westfalen", die im Auftrag des Arbeitsministeriums erstellt wurde und numehr in 3. Auflage vorliegt. Die Studie soll Informationen über die "Lebenshintergründe der Muslime" vermitteln, so der scheidende Sozialminister Horstmann. Tatsächlich leistet die Studie vor allem eines: eine unverhohlende Propaganda für den Islam in NRW. So werden islamkritische Artikel im Spiegel und in Emma, die sich mit dem Fundamentalismus, dem Frauenbild oder dem Schächten von Opfertieren auseinandersetzten, pauschal als "Reproduktion von Feindbilder-Attributen" gewertet.

Islamistische Organisationen werden dagegen wohlwollend behandelt. In der Vorbemerkung heißt es dazu, man wolle diese Organisationen rein "deskriptiv" darstellen. Das heißt im Klartext, daß man weitgehend die Selbstdarstellung der Vereine übernommen hat, und die ist naturgemäß alles andere als objektiv. So verwundert es nicht, daß die Islam-Organisationen als stets dialogbereit angeführt werden. Selbst die radikale Vereinigung "Milli Görus" wird milde beurteilt. Diese Vereinigung habe ihren Willen "zum Dialog mit deutschen bzw. christlichen Stellen" demonstriert. Offenbar nur aus Höflichkeit gegenüber dem Geldgeber der Studie wird angefügt, daß der Verfassungsschutz NRW "Millis Görus" jedoch als Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ansieht. Daß die türkisch-nationalistische ATIB es geschafft hat, bei den Dortmunder Ordnungsbehörden den lautsprecherverstärkten Muezzin-Ruf durchzusetzen, wird als nachahmenswertes Beispiel für den "christlich-islamischen Dialog" bezeichnet.

Ein besonderes Schmankerl haben sich die Autoren der Studie beim Thema "Kopftuch" geleistet. So wird behauptet, Kopftuch und Schleier seien keineswegs unbedingt als Instrument der Unterwerfung der Frau im Islam zu betrachten, sondern dienten der muslimischen Frau auch als "Schutz vor Sonne, Sand und Regen". Hier wird die Schönfärberei des Islam bis ins Lächerlich-Groteske gesteigert. Man fragt sich, warum dann der muslimische Mann auf diese Schutzkleidung verzichtet. Zum Kopftuchtragen in der Schule wird gefordert, die Schule dürfe "westliche kulturelle Standards" nicht "unkritisch als allgemeinverbindlich vermitteln."

Im Klartext heißt dies, daß das vormoderne Frauenbild des Islam in deutschen Schulen als gleichwertig mit dem westlich-aufgeklärten Frauenbild vermittelt werden soll. In dem Kapitel "Sensibilität im Sprachgebrauch" werden die Register der Political Correctness gezogen: Daß ein wegen Mordes angeklagter Türke in einem Zeitungsbericht als "Messerstecher" bezeichnet wird, taucht als "mißverständliche Berichterstattung über Ausländer" auf.

Die Schuld am islamischen Fundamentalismus wird letztlich auch noch der deutschen Gesellschaft zugeschoben. Weil diese angeblich ein "irrationales Feindbild Islam" verfolge, würden Muslime in die Isolation und in die Arme fundamentalistischer Strömungen getrieben. Kritik am Islam ist unerwünscht. Nicht die Fundamentalisten sind das Problem, sondern die Kritiker des Fundamentalismus, weil diese denselben hervorrufen.

Mit dieser Propagandaschrift für den Islam hat das Zentrum für Türkeistudien der Integration der Türken einen schlechten Dienst erwiesen. Wer von der deutschen Gesellschaft verlangt, daß sie Riten und Gebräuche des Islam toleriert, die zum Teil nicht einmal in der Türkei erlaubt sind, der stellt die Integration auf den Kopf. Daß eine solche Schrift vom Steuerzahler finanziert wird, ist ein Skandal. An Fakten über türkische Muslime in NRW, dem eigentlichen Zweck der Studie, wird wenig geboten. Auf den 258 Seiten wird noch nicht einmal vermerkt, wieviel Muslime in Nordrhein-Westfalen überhaupt leben.


 
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