© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/98 12. Juni 1998

 
 
Kolumne
Haider wankt
Von Andreas Mölzer

Die FPÖ des Jörg Haider ist in den vergangenen Wochen von mehr als 25 Prozent an Wählerzustimmung auf kaum 18 oder 19 Prozent abgesackt. Demgemäß scharren die Strategen von ÖVP, SPÖ und Grünen schon in den Startlöchern im Wettlauf um die Gunst der nun vermeintlich freiwerdenden Haider-Wähler. Nach der von ihnen weidlich geschürten Krise der Freiheitlichen hoffen sie, die Lufthoheit über den Stammtischen zurückerobern zu können. Kernige Sprüche, die den kleinen Leuten weismachen sollen, das politische Establishment habe gelernt, sich der Ängste der Bürger wieder anzunehmen, sollen dazu das ihre tun. Gleichzeitig das fortgesetzte mediale Trommelfeuer gegenüber Haider und den Freiheitlichen, durch das der Eindruck vermittelt werden soll, diese stellten eine Gruppe von halbseidenen Abenteurern, Spekulanten und Karrieristen dar, völlig unfähig zur politischen Gestaltung.

Jörg Haider selbst leckt indes keineswegs seine Wunden, sondern beschwört die ihm in schwierigen Situationen immer eigen gewesene Fortüne: Wie seinerzeit nach der Abwahl als Kärntner Landeshauptmann sollen die Angriffe der Gegner neue und noch stärkere Solidarität unter potentiellen Anhängern schaffen. Wie damals soll der Wähler, soll die öffentliche Meinung, die veröffentlichte Meinung in den Medien und die Meinungsumfragen konterkarieren. Der größte Gefallen, den das politische Establishment dem angeschlagenen Volkstribun tun könnte, wären vorgezogene Neuwahlen in Kärnten. Da könnte er zeigen, wo der Bartl den Most holt, daß ihm in rot-weiß-roten Gefilden als Wahlkämpfer noch längst keiner gewachsen ist.

Der Wähler aber, das unbekannte Wesen, das sich den Schalmeienklängen aus den Parteizentralen immer wieder entzieht, das gnadenlos Meinungsforscher und politische Beobachter narrt, läßt sich auch diesmal nicht auf den Grund des eigenen Herzens blicken. Wenn es Haider gelingt, seinen Wählern und Sympathisanten zu vermitteln, es sei innerhalb der freiheitlichen Reihen Menschliches und Allzumenschliches geschehen, man wolle dies aber offen und konsequent aufarbeiten, könnte er zeigen, daß die Jäger des Bären
(-talers) dessen Fell allzu früh verteilen wollten. Andernfalls dürften jene recht behalten, die meinen, daß die FPÖ-Protestwähler dann in den Bereich der Nichtwähler abwandern würden. Der Rückweg zu Rot und Schwarz ist für jene, die eine Alternative zum politischen Establishment gesucht haben, auch durch die durchdachtesten und raffiniertesten Polit-Strategien kaum mehr zu ebnen. Scheitert der Volkstribun Haider, will man deshalb noch längst keine politische Dreifaltigkeit aus dem Partei-Establishment.


 
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