© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/98 12. Juni 1998

 
 
Ohrenschmaus: Ein CD-Sampler ehrt den Italienischen Philosophen Julius Evola
Hommage an einen Ewigen
von Ellen Kositza

Musikalische Sammelwerke menschlichen Ikonen zu widmen, ist seit einiger Zeit populär geworden in Bereichen, die man der "Schwarzen Szene" im weitesten Sinn zurechnen könnte. Zumindest unter diesem Aspekt reiht Calvacare la Tigre, eine Huldigung von Leben und Werk "des Magiers, Philosophen, Künstlers und Kshatryia Baron Julius Evola" – so das Werbeversprechen von Eis und Licht Tonträger – sich ein zwischen den berüchtigten Riefenstahl-Sampler und die angekündigte CD zu Ehren Josef Thoraks: Durch die Bindung an einen symbolträchtigen Künstler möchte sich die Musik der hier vertretenen Gruppen der ausschließlichen Konsumierbarkeit, der Beliebigkeit, entziehen.

Eben dieser Anspruch vermag bisweilen ein wenig aus dem Ruder zu laufen. So wartete etwa die fast zwei Dutzend Künstler präsentierende Riefenstahl-Comilation zwar mit nahezu durchweg erstklassiger Musik auf, dies jedoch weitgehend ohne Bezug zur Filmkünstlerin, der man die Lichtscheibe immerhin widmen wollte. Ersatzweise hatte man das miserable Beibuch zur Doppel-CD vollgestopft mit einem Durcheinander an plakativen Zitaten und sonstigen Häppchen zur Riefenstahl-Thematik. Und nun gerade Julius Evola als Kristallisationspunkt – der Gedanke, daß die beabsichtigte Würdigung des elitären Kulturphilosophen und Spiritualisten, dessen hundertster Geburtstag sich diesen Mai jährte, auf eine kindische Weise anmaßend ausfallen würde, lag nahe, zumal Evola selbst eine scharfe Trennung von "Mythen" und "wirklichen Ideen" einforderte. Jene nämlich bezeichnete er als "unklar empfundene Wahrheiten", die allein "leidenschaftsbedingt", ihrer "suggestiven Macht" wegen zur Geltung kämen.

Und schließlich sind Evolas Werke geradezu gespickt mit Sequenzen heutzutage öffentlich geächteten Inhalts; solchermaßen, daß sie sich nonkonformen Kräften zur Verwendung in griffigen Schlagworten anbieten wie ansonsten allenfalls jene immer wieder gern bemühten Nietzsche-Zitate. Die in entsprechenden Kreisen populäre und gleichwohl ziemlich beliebig auszulegende Parole "den Tiger reiten" und die souverän klingende Weisheit, daß man alles tun dürfe, solange man es auch lassen könne, sind so etwas wie das standardisierte Minimalwissen von Evolas Weltanschauung, die auch so mancher Idiot gerne auf der Zunge spazierenträgt. Die Befürchtung drängte sich auf, daß sich die berufenen Tonkünstler in bemüht revolutionärem Habitus von Zitat zu Zitat hangeln würden, um so ein waberndes, nur unscharf erfaßtes Heldendenkmal erstehen zu lassen. Tatsächlich jedoch widerlegen nun sowohl die CD als auch das 16seitige Hochglanz-Beiheft Unkenrufe dieser Art: Hier wurde mit Sorgfalt gearbeitet und mit Tiefe komponiert. Keines der Stücke – insgesamt zu getragen-sakral, um tanzbar zu sein – fällt aus diesem Gesamturteil heraus, allenfalls könnte man einige wenige als "Geschmackssache" bezeichnen, das ein wenig zu simple Violinenstück von Alraune vielleicht, und an Kadmons musikalischem Schaffen innerhalb seines Allerseelen-Projekts scheiden sich ohnehin die Geister – seine Beiträge im Begleitbuch dagegen überzeugen. Phänomenal jedenfalls die mit gewohntem Pathos vorgetragene Einführung "Inthronisation" durch Von Thronstahl (ein Nebenprojekt von Forth-coming-Fire-Frontmann Jay Kay), ein gediegenes Instrumentalstück, das seine anspruchsvolle inhaltliche Ergänzung mittels einer aufwendigen Zitatenzusammenstellung im Beibuch findet. Sicher mehr als nur Primus inter pares ist das darauffolgende "Ewig unbewegt" der relativ jungen Künstlergruppe Orplid, die soeben mit ihrer ersten eigenen CD einen beeindruckenden Einstand gegeben haben. "Ewig unbewegt" fasziniert bereits beim ersten Hören, eine halbe Stunde nach dem Drücken der Repeat-Taste ist man unweigerlich hingerissen.

Ebenfalls vertreten mit zum Teil recht außergewöhnlichen Werken, die allesamt auf eine eingehende Beschäftigung mit dem unbeugsamen Denker schließen lassen, sind Blood Axis, Camerata Mediolanense, Lonsai Maikov (und damit ein weiterer Höhepunkt), Ain Soph, Waldteufel und ein Beitrag der ungarischen Gruppe Scivias, deren Stück bereits durch die dem westeuropäischen Ohr unvertraute Sprache in den Bann zieht. Alles in allem ergeht man sich nicht in nebligen Andeutungen, sondern zeigt Substanz; ein wenig hochmütig wirkt das alles sicher, ist es vielleicht auch – im alten Wortsinne. Laut Eis und Licht Tonträger, dem jungen Dresdner Label, ist die CD nicht für die "Masse" vorgesehen und folglich auf eine knappe Auflage von 1.000 Stück begrenzt.

Zwei kurze Texte, prägnante Einschätzungen des Italieners, verfaßt von Kadmon ("Julius Evola: Harte Währung") und von Evola-Kenner Martin Schwarz, geben dem beeindruckenden Beiheft einen äußeren Rahmen. "Die kriegerische Haltung des Nicht-Zurückweichens", subsummiert Schwarz, "ist die Quintessenz des Rittes auf dem Tiger. Und die Auffassung, lieber anzugreifen als sich zu verteidigen.

Evola ist nicht zurückgewichen auf das Feld des Rationalismus, der Seichtheit, des Pöbels. Und darum steht er noch heute aufrecht, wo andere seiner Zeit längst versunken sind."

 

Bezugsadresse: Eis und Licht Tonträger, Postfach 16 01 42, 01307 Dresden


 
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