© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/98 12. Juni 1998

 
 
Natur-Aktien-Index: Gradmesser für wirtschaftliche Relevanz
Grünes Börsenbarometer
von Gerhard Quast

Zu fast jeder Möglichkeit, Geld anzulegen, gibt es inzwischen eine "grüne" Variante: Ökosparbücher, Umweltaktien, Umweltanleihen, Öko-Lebensversicherungen. Das Bedürfnis, zu wissen, was mit dem eigenen Geld finanziert oder produziert wird, ist immens gewachsen. Immer mehr Menschen "wollen sichergehen, daß mit ihrem Ersparten nicht gerade Atomkraftwerke, Umweltgifte oder Rüstungsmaterial erzeugt werden", erklären Max Deml und Jörg Baumgarten den Trend zu alternativen Geldanlagen in ihrem soeben erschienenes Buch "Grünes Geld. Jahrbuch für ethisch-ökologische Geldanlagen" (Waldthausen Verlag, 1998).

Durch die inzwischen entstandene Vielfalt kann sich der Investor genau umgrenzte Gebiete auswählen. Besonders die zahlreichen außerbörslichen und börsennotierten Aktiengesellschaften bieten grenzenlose Investitionsmöglichkeiten mit einem entscheidenden Vorteil: Während man über (Öko-) Bankbeteiligungen nur mittelbar in ökologisch arbeitende Unternehmen investieren kann, ist dies bei Aktiengesellschaften direkt möglich, weil die Banken nur zwischengeschaltet sind. Der Aktionär ist also Miteigentümer und kann auf den Hauptversammlungen des Unternehmens entsprechend dem Nennwert seiner (Stamm-)Aktien die Firmenpolitik mitgestalten. Außerdem ist es dem ökologisch bewußten Aktienkäufer möglich, sich in genau das Unternehmen einzukaufen, das den persönlichen Ansprüchen entspricht. Ein Landschaftsschützer wird also kaum in die Fabrikation von Windrotoren investieren. Andererseits kann der Aktionär seine Aktien auch kurzfristig wieder verkaufen, wenn er zu der Ansicht kommt, daß sein Geld nicht richtig angelegt ist, weil sich möglicherweise die Umweltpolitik des Unternehmens geändert hat.

Als eine Art "Gradmesser für die ökonomische Komponente ökologischer Bestrebungen", so die Jahrbuch-Autoren Deml und Baumgarten, wurde im vergangenen Jahr von dem Umweltmagazin natur und dem Informationsdienst öko-invest der "natur-Aktien-Index" (NAX) aus der Taufe gehoben. Anders als der "pollution control"-Index der US-Agentur Standard & Poor’s, der sich nur auf US-Aktien beschränkt, versucht der NAX die internationale Börsen-"Gewichtsverteilung" einigermaßen zu berücksichtigen: Von den zwanzig Öko-Papieren, die als Grundlage für die Berechnung des NAX dienen, haben US-Aktien einen Anteil von 30 Prozent, Deutschland und Österreich sind mit jeweils zehn Prozent (zwei Aktien) berücksichtigt, der Rest verteilt sich auf Australien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Japan, die Niederlande, Norwegen, Polen, die Schweiz und Spanien, die jeweils mit einer Aktiengesellschaft im NAX vertreten sind. Insgesamt berücksichtigt der NAX 20 weltweit tätige Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen: Wasserversorgung, Solarenergie, Recycling, Biolandbau, Kosmetik, Entsorgung, Windturbinen, Energiesysteme, Wasserfilter und Bekleidung.

Als ökologische und ökonomische Aufnahmebedingungen galten folgende vier Kriterien:

- Vorreiterrolle: Das Unternehmen muß in seiner Branche ein ökologischer Vorreiter sein und mehr als nur die gesetzlichen Umweltbestimmungen erfüllen.

- Öko-Effizienz: Der Betrieb muß neben einer nachhaltigen Wirtschaftsweise auch um Einsparung von Energie, Wasser und Rohstoffen bemüht sein.

- Umweltschädigende Branchen: Die Aktiengesellschaft darf weder der Atomkraft-, Rüstungs-, PVC- oder Tabakindustrie zuzuordnen sein.

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Gesamtumsatz: Drei Viertel der NAX-Unternehmen müssen einen Jahresumsatz von mindestens 100 Millionen Mark aufweisen und langjährig etabliert sein.

Mit Stichtag 1. April 1997 startete das grüne Börsenbarometer mit einem Ausgangswert von 1.000. Ermittelt wird der NAX seither von der renommierten internationalen Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Innerhalb von zwölf Monaten erzielte der natur-Aktien-Index ein Plus von 32,7 Prozent. Ende Mai erreichte er die 40-Prozent-Marke und hat damit einen Vorsprung von neun Prozent gegenüber den Weltaktienindex MSCI (Morgan Stanley Capital Index).

Ähnlich wie bei DAX und Dow Jones kann es auch beim NAX Änderungen bei der Zusammenstellung geben: Wenn ein Unternehmen beispielsweise fusioniert, durch Verkauf eines Geschäftsbereiches nicht mehr den Betrieb repräsentiert, der Voraussetzung für die Aufnahme in den NAX war, oder der Aktienkurs unter 50 Prozent des ursprünglichen Niveaus fällt, wird der Titel durch eine andere "Öko-Aktie" ersetzt. Dies ist bisher ein einziges Mal vorgekommen: Zum Jahreswechsel 97/98 schied der Wasserfilter-Produzent Memtec wegen Übernahme aus und wurde durch den österreichischen Finanzinvestmentfonds Biogrond ersetzt.

Ansonsten hat sich der sich uneinheitlich entwickelnde NAX – auch im Vergleich zu anderen Aktienindizes – ausgesprochen gut gehalten. Während im vergangenen Jahr die Börsen von Tokio über Hongkong, London bis New York zum Teil dramatische Kurseinbrüche von bis zu 30 Prozent verzeichnen mußten, reagierte der NAX eher gelassen. Die im NAX zusammengefaßten Titel erwiesen sich als erstaunlich krisenfest.

Besonders die Aktien der norwegischen Firma Tomra Systems zählen nach Ansicht der Jahrbuch-Autoren international zu den beliebtesten "grünen" Aktien und verzeichneten einen erstaunlichen Höhenflug. Innerhalb von nur vier Jahren verbuchten die Investoren Kursgewinne von 2.000 Prozent. 1996 lag die Umsatzrendite des 1972 als Familienbetrieb gegründeten Unternehmens bei über 16 Prozent. Das lasergesteuerte Flaschenrücknahmesystem steht inzwischen nicht nur in zahlreichen deutschen Lebensmittelketten. Der Trend zu Pfandsystemen hat Tomra zum weltweit bedeutendsten Hersteller von Rücknahmemaschinen werden lassen und ihm faktisch eine Monopolstellung eingebracht. In Europa hält Tomra nach Angaben der tageszeitung einen Marktanteil von 95 Prozent, weltweit stammen 80 Prozent aller installierten Geräte von Tomra, bei Neuinstallationen sogar 90 Prozent. Nicht nur dieses Unternehmen, auch der positive Trend der NAX-Wertentwicklung verdeutlicht nach Ansicht von Deml und Baumgarten, daß sich Ökologie "durchaus mit ökologischem Nutzen verbinden" läßt.


 
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