© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/98 05. Juni 1998

 
 
Werner Maser: Heinrich George - Eine politische Biographie
Tod im "Sonderlager"
Werner Olles/Claus M. Wolfschlag

Werner Masers großes Werk über den Schauspieler Heinrich George ist eine politische Biographie. Dergleichen stellt in der ohnehin dürftigen Literatur über den deutschen Film vor dem Zweiten Weltkrieg eine Rarität dar. Entweder sind die Darstellungen der Vorkriegsstars der UFA ablehnend bis hin zur Diffamierung und üblen Nachrede oder unkritisch-sentimental bis zur "Weißwäscherei". Maser hat sich vor beiden Extremen gehütet, und so ist ein gelungenes Buch herausgekommen, das einerseits gesicherte Fakten über den wohl bekanntesten Schauspieler jener Zeit auf den Tisch legt, andererseits die emotionale und persönliche Sicht auf das "Phänomen" George durchaus nicht scheut.

Der Historiker Werner Maser war 1946 Georges Mithäftling im sowjetischen Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin. In russischen und deutschen Archiven hat Maser zudem Dokumente gefunden, die es ihm ermöglichen, ein plastisches, doch unvoreingenommenes Bild des großen Schauspielers zu zeichnen. Der Autor geht dabei vor allem der Frage nach, welcher Art die Beziehungen waren, die Heinrich George zu den Machthabern des NS-Staates unterhielt. Maser schildert den Künstler als eine komplexe Persönlichkeit voller Brüche, der engagiert und mutig und ohne Rücksicht auf die eigene Person verfolgte jüdische Kollegen und Freunde unterstützte und ihnen in ihrer Bedrängnis zur Seite stand. Bei solchen Aktionen schreckte George nicht davor zurück, seine guten Kontakte zu prominenten Parteifunktionären zu nutzen, wenn es der Sache dienlich war.

Maser läßt allerdings auch nicht unerwähnt, daß umgekehrt die braunen Machthaber George für ihre ideologischen und propagandistischen Zwecke benutzten. Inwieweit er sich dabei vor den Karren des Regimes spannen ließ, ist eine letztlich offene Frage. Immerhin kam der Schauspieler von weit links und hatte lange Zeit den Kommunisten nahegestanden. Tatsächlich wurde er von manchen NS-Funktionären auch weiterhin mit äußerstem Mißtrauen beobachtet, weil er sich nicht überreden ließ, in die Partei oder eine ihrer Organisationen einzutreten, was für sich allein genommen schon für ihn spricht.

Wenige Tage nach Kriegsende wurde Heinrich George von sowjetischen Offizieren verhaftet und zum Verhör nach Berlin-Zehlendorf gebracht. In den folgenden Wochen wiederholten sich die Vernehmungen, bis er Ende Juli von deutschen Handlangern der russischen Geheimpolizei NKWD ins Lager Hohenschönhausen gebracht wurde. Man warf ihm vor, "einer der angesehensten faschistischen Künstler Deutschlands" gewesen zu sein, der "antisowjetische Reden" gehalten, "Rollen gespielt, die die Sowjetmacht diskreditierten, sowie für die "Fortführung des Krieges agitiert" hätte. Schikaniert und mißhandelt und unter menschenunwürdigen Verhältnissen leidend, wurde George im März 1946 nach Sachsenhausen verlegt, in ein "Speziallager", wie die Russen das von den Nazionalsozialisten übernommene Konzentrationslager nannten. Hier erkrankte er im August schwer an den Folgen einer Blinddarmentzündung. Bereits während der Operation, die mit Wodka und Kaffee als Betäubungsmittel durchgeführt wurde, erlitt er einen Herzanfall. Zwar gelang der Eingriff, aber schon zwei Tage später rang Heinrich George mit dem Tode. Am 25. September starb der wohl größte und bedeutendste Schauspieler, den die deutschsprachige Welt hervorgebracht hat, laut offiziellem Totenschein an "Bronchiopneumonie und Herzschwäche" in einer KZ-Lazarettbaracke. Warum die Sowjets ihm das wahrscheinlich lebensrettende Penicillin, das durchaus zur Verfügung stand, nicht gaben, läßt sich nur erahnen.

Masers Biographie ist ein wertvolles Buch aus der Feder eines Autors, der sich weder von falschen Klischees noch von Legenden beeindrucken ließ. Ohne Scheuklappen und Tabus beschreibt er das Leben und Sterben des Staatsschauspielers und Menschen Heinrich George, seine Verstrickungen in das NS-Regime und seinen schrecklichen Tod im kommunistischen Lager, bei dem Menschenwürde und Gerechtigkeit auf der Strecke blieben.

 

Werner Maser: Heinrich George. Mensch aus Erde gemacht. Die politische Biographie. Mit 127 Fotos und Dokumenten, edition q, Berlin 1998, 463 Seiten, geb., 44 DM


 
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