© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/98 29. Mai 1998

 
 
Briefbomben-Attentate: Graz bereitet sich auf den Prozeß vor
Doch nur ein Einzeltäter
von Jürgen Hatzenblicher

Woher Franz Fuchs seine Ideen hatte, ist noch nicht so ganz klar. Die Fahnder helfen sich selbst aus. Denn bei den Ermittlungen sei man daraufgekommen, daß es da im tiefen Süden der steirischen Mark, also im Umfeld von Gralla, "eine Fülle von rechten Publikationen" gibt, die man "bis zur Briefbombenfahndung gar nicht kannte". Diesen "Plunder" soll der mutmaßliche Brief- und Rohrbombenattentäter "in sich hineingefressen haben", bis dann irgendwann einmal – genauer: mit den Bekennerbriefen – die Ideologie herauskam, die Franz Fuchs zum Terroristen gemacht hat. Und angeblich soll es nun doch kein "historisches Fachwissen" sein, das zum Verfassen der Bekennerbriefe nötig wäre. Vor einiger Zeit hörte man noch anderes. Aber auch in punkto BBA-Schreibstil ist ein Wiener Sprachwissenschaftler der letzte, der auf "vier unterschiedliche Verfasser" der Bekennerschreiben tippt. Auch das deutsche Bundeskriminalamt hält Fuchs für den Verfasser der BBA-Schreiben.

Ein Geständnis von Franz Fuchs liegt aber noch nicht vor. Während sich die Gutachten ansammeln und alles auf einen Einzeltäter hinzuweisen scheint, bleibt der Mann aus Gralla bei seiner Darstellung: Er sei ein Kämpfer der Bajuwarischen Befreiungsarmee (BBA), die Nummer drei in der Steiermark. Doch von weiteren Zellen ist weit und breit keine Spur. Querverbindungen zu weiteren BBA-Terroristen tun sich nicht auf. Franz Fuchs war vermutlich immer allein.

Dementsprechend auch die Reaktion im Innenministerium: Bisher hat man sich immer äußerst bedeckt gehalten. Man hat zwar gesagt, daß Franz Fuchs ein Einzeltäter sein könnte, doch sich genau darauf festlegen, das wollte man nicht. Immerhin hat man sich schon einmal blamiert: Zuerst hatte man die Neonazis Franz Radl und Peter Binder als Täter präsentiert. Doch der Prozeß platzte. Die beiden Angeklagten wurden zwar wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt, ein Zusammenhang mit den Briefbombenattentaten konnte aber nicht hergestellt werden. Im Gegenteil: "Die BBA" legte größten Wert darauf, der Urheber der Anschläge zu sein und kommentierte die Ermittlungen der Fahnder mit größter Häme. Den Reinfall, den man im Falle Radl-Binder erlebt hatte, wollte man im Innenministerium nicht wiederholen. Nun aber konnte sich Innenminister Karl Schlögl aus der Deckung hervorwagen. Dem Parlament präsentierte Schlögl vergangene Woche eine "Schlußerklärung", mit der man sich auf die Einzeltätertheorie festlegt. Die ermittelnde Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT) wiederum machte gegenüber dem Landesgericht Graz Vollanzeige gegen Franz Fuchs, auch wenn der Innenminister eingestehen mußte, daß noch nicht alle Fragen geklärt seien.

Franz Fuchs könnte also doch die österreichische Parallele zum amerikanischen "Una-Bomber" sein. Das psychiatrische Gutachten spricht davon, daß Fuchs eine ansteigende Psychose mit paranoiden Zügen habe. Bei den Sachbeweisen gibt es einiges, das auf Fuchs als Täter schließen läßt: Das bei ihm gefundene Nitroglyzerin ist von großer Ähnlichkeit mit dem aus den Briefbomben. Bei Fuchs wurde auch entsprechende Verschlüsselungssoftware gefunden, wie sie im Fall eines BBA-Bekennerbriefes zur Anwendung gekommen sein könnte. Der Gipssockel der Sprengfalle von Oberwart ist mit Tritium in genau dem selben Wert verunreinigt, wie die Wohnung von Franz Fuchs. Und das neuste technische Indiz dafür, daß Fuchs alle Bomben gebaut hat: Sowohl bei der Elektronik der Brief- wie der Rohrbomben wurde dasselbe Löt-Zinn zum Befestigen der elektronischen Bauteile verwendet. Und auch viele technische Aussagen von Franz Fuchs während der Verhöre wurden von den Ermittlern ganz klar als "Täterwissen" identifiziert.

Die Hauptverhandlung freilich könnte sich noch verzögern. Denn Untersuchungsrichter Erik Nauta will sich mit den vorliegenden Gutachten nicht zufrieden geben. Er hat an die Experten "Ergänzungsaufträge" vergeben. Das braucht Zeit, die man sich aber nicht so recht gönnen will. Der Fall soll endlich vom Tisch.

Bis Ende Juli muß aber die Anklage rechtskräftig eingebracht sein, wenn der Prozeß gegen Franz Fuchs wirklich im Herbst stattfinden soll. Andererseits betrachtet man genauere Gutachten als notwendig. "Wir müssen jedes Aussagedetail gutachtlich behandeln, um Verzögerungen während der Hauptverhandlungen zu vermeiden", bestätigt Friedrich Kicker, Grazer Gerichtspräsident. Der Fuchs-Prozeß soll einen Monat dauern. Die zu bestimmenden Strafrichter werden drei Monate Zeit zum Einarbeiten haben.

Ein "BBA-Urteil" liegt in Wien aber nun schon vor: Ein 22jähriger Tiroler wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er als "Trittbrettfahrer" gefälschte BBA-Bekennerbriefe verschickt hatte. In diesen, bisher geheim gehaltenen Schreiben, hatte der Tiroler die Freilassung von Franz Fuchs gefordert und mit einer "radioaktiven Bombe" gedroht.


 
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