© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/98 22. Mai 1998

 
 
Star Trek ist gefährlich: Auf der Enterprise tummeln sich seltsame Kameraden
Beam me up, Moeller!
von Gunnar Raspe

Irgendwie sind die Proteste, die von einer immer kleiner werdenden Gruppe standhafter Bonner Bürger noch gegen den Berlin-Umzug inszeniert werden, skurril. Denn es ist doch offensichtlich, daß das verschlafene Städtchen am Rhein nach dem Umzug der Bundesregierung rein gar nichts von seinem Charme einbüßen wird.

Sein wahres Renommee erhält Bonn doch schließlich durch solche kulturelle Ereignisse, die über die profane Sphäre des rein Politischen weit hinausragen. Regelmäßige Großveranstaltungen werden somit auch in Zunkunft dafür Sorge tragen, daß der Name "Bonn" im Bewußtsein der Bundesbürger verankert bleibt: Neben der Bier-Börse in der Rheinaue ist hier unter anderem an die alljährliche "FEDCON" zu denken, wie der Federation-Convent der Star-Trek-Fangemeinde im Volksmund liebevoll genannt wird.

Das Bonner Maritim-Hotel wurde kürzlich erneut Schauplatz einer solchen Versammlung. Von überall her strömten die Heerscharen uniformierter "Trekkis" in die Kongreßsäle und Festhallen des Maritims, besetzten dort die Foyers und Sitzgruppen. Über 3000 Teilnehmer zelebrierten hier eine dreitägige Zusammenkunft, um Erfahrungen auszutauschen, neue Informationen zu sammeln oder sich mit den Novitäten des endlos prosperierenden Devotionalienmarktes einzudecken. Oft haben hier die Anhänger auch die Chance, der Star-Trek-Prominenz ganz nahe zu kommen. Letztes Jahr war Captain Kirk ("Erst zuhauen, dann fragen.") höchstpersönlich zugegen, dieses Jahr mußte man sich mit Captain Janeway ("Erst Fragen, dann verhandeln, dann nochmal fragen…"), dem nicht ganz unbestrittenen, da ersten weiblichen Chef an Bord des Föderationsschiffes "Voyager" begnügen.

Eindrucksvoll demonstrierte die FEDCON aber die starke Geschlossenheit der "Vereinigten Föderation der Planeten". Den Besucherblicken bot sich ein Bild der Eintracht: Pluralismus der Lebensformen – Friedfertigkeit und kultureller Austausch. Es lag in der Natur der Sache, daß die Masse der Teilnehmer humanoiden Ursprungs war. Es kamen aber auch wieder zahlreiche Vulkanier, wahre intellektuelle Überflieger und Logikliebhaber (siehe Spock). Einige Romulaner wurden gesichtet, ja schließlich traf man vor Ort sogar auf eine Delegation der Borg, jener halborganisch, halbmaschinellen Lebensform, die im Angesicht solch supraethnischer Harmonie sogar von ihren sonst so entwaffnenden Assimilationsankündigungen absahen.

Unter dem schützenden Schirm der globalethischen "Hauptdirektive" haben sie alle hier zueinander gefunden. Aus all den vielen Feinden sind Freunde geworden. Ja, was noch vor kurzem vielerorts Befremden auslöste – im Bonner Maritim fiel so etwas kaum noch ins Auge: Klingonen und Ferengi vergnügt an einem Tisch…

Doch all der harmonische Glanz des dreitätigen Kongreßgeschehens mit der beschwingten Atmosphäre konnte jene kritischen Töne nicht überspielen, die unlängst der Marburger Student und begeisterte Filmrezensent Michael Schöngarth im Internet offeriert hatte. Mit einer Analyse des letzten Star-Trek-Films "The First Contact" eröffnete Schöngarth den Diskurs über Star Trek. Der passionierte Hannah-Arendt-Fan sparte nicht mit harscher Kritik: Star Trek verherrliche eine militärisch strukturierte Gesellschaftsordnung; innerhalb der Enterprise-Belegschaft käme eine repressive Rollenverteilung der Geschlechter zur Geltung.

Das Bonmot präsentierte Schöngarth erst im Resümee: "Die Utopie Star Trek" – heißt es da schlicht – "ist eine ‘konservative Utopie’". Holla-ho! O-Ton Schöngarth: "Ich sehe in der Trek-Ideologie ein ähnlich gespenstisches Ideologie-Konglomerat, wie man es etwa in den Schriften der sogenannten Jungkonservativen finden kann." Und damit meint er keinen Geringeren als Moeller van den Bruck. Dem "Deutschen Sozialismus" Moellers entspreche der (Pseu-
do-)Sozialismus der Star-Trek-Welt. Ferner sei der virtuelle Militarismus bei beiden ähnlich; die Föderation werde ja vom Militär regiert: "wie sieht es da mit der Demokratiefrage aus?", gibt Schöngarth zu bedenken. Star-Trek gehe es gar nicht um Emanzipation, sondern um antiquierte Werte: "Uns wird mithin ein konservativ-völkischer Ideenbrei serviert, der das Politische (im Krieg) ästhe-
tisiert."

Bestürzung riefen Schöngarths Anmerkungen bei den Trekkis damals hervor. Sollte uns da etwa, mit Hans Freyer gesprochen, eine "Revolution von Oben", gar eine schleichende Unterwanderung durch eine "Neue Rechte" drohen? Das Borg-Motto "Resistance is futile" bekommt hier eine gespenstische Bedeutung. In diesem Sinne: Beam me up, Moeller!


 
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