© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/98 15. Mai 1998

 
 
Verkehr: Die Zivile Luftfahrt befindet sich weltweit auf Erfolgskurs
Am Himmel wird es eng
von Karl Galster

Nach jüngst gemachten Angaben der Internationalen Luftfahrt-Organisation (ICAO) steuerte der Welt-Linienverkehr auch im vergangenen Jahr eine neue Rekordmarke an. Die 185 größten Airlines flogen danach 1997 330 Milliarden Tonnenkilometer. Diese Meßgröße ergibt sich aus der zurückgelegten Distanz und dem Post-Fracht- und Passagieraufkommen. Im Jahr zuvor waren es 300 Milliarden Tonnenkilometer. Die Zahl der beförderten Passagiere wuchs auf 1,44 Milliarden. Im laufenden Jahr hofft man auf 1,5 Milliarden Fluggäste. Der Luftfrachtsektor wuchs gar überpropotional um elf Prozent. Marktführer ist der US-amerikanische Gigant "Delta Airlines", der 1997 als erste Fluggesellschaft mit 101 Millionen Fluggästen die magische 100 Millionen-Grenze durchbrach. Den größten Zuwachs im Passagieraufkommen verzeichnete Afrika mit 10,7 Prozent und Lateinamerika mit einem Plus von 7,6 Prozent. Auch in Europa waren 7,1 Prozent mehr Menschen mit dem Flieger unterwegs, während in Nordamerika mit 951,1 Millionen Fluggästen auf einem hohen Niveau nur ein Plus von 3,4 Prozent verzeichnet werden konnte. Nach einer US-amerikanischen Studie verbuchte die Gesamtbranche einen Gewinn von rund sechs Milliarden Dollar, 500 Millionen Dollar mehr als im Vorjahr. Es werden weiter steigende Gewinne erwartet.

Angesichts des Booms ist es nicht weiter verwunderlich, daß sich auch die Europäer auf weitere Fluggäste einstellen. Vorneweg beim Kampf um die neuen Fluggäste die Holländer: Amsterdam-Schiphol, der beim Passagieraufkommen viertgrößte Flughafen, rangiert hinter London-Heathrow, Frankfurt am Main und Paris-Charles de Gaulle und hatte im vergangenen Jahr 13,5 Prozent Zuwachs, soviel wie kein anderer großer europäischer Flughafen. In Kürze wird dort eine fünfte Start- und Landebahn gebaut. Amsterdam-Schiphol befindet sich im Besitz des niederländischen Staates und der Stadt Amsterdam und brachte den staatlichen Hauptaktionären im letzten Jahr umgerechnet weit mehr als eine Milliarde Mark Gewinn ein. Eine Privatisierung ist nicht geplant. 47.000 Menschen finden auf dem Flughafen einen Arbeitsplatz. Damit das auch so bleibt, planen die geschäftstüchtigen Holländer einen über die fünfte Startbahn hinausgehenden großzügigen Ausbau des Airports. In der Nordsee bzw. im Ijsselmeer soll auf einer aufgeschütteten Insel ein Erweiterungsbau entstehen. Die teure "Nordseelösung" soll immerhin rund 36 Milliarden Mark an Investitionen verschlingen. Die Planer sind sich indessen einig, daß sich dies bald bezahlt machen wird. Langfristig will man die Hauptdrehscheibe des europäischen Kontinentalluftverkehrs werden. Bereits heute sind nur 37 Prozent der Schiphol-Fluggäste Niederländer. Elf Prozent stammen jeweils aus Großbritannien und den USA, weitere sieben Prozent kommen aus Deutschland. Von Amsterdam aus – so die verantwortlichen Planer – soll dann der weitere Verkehr mittels ICE über die Schiene oder per Kurzstreckenluftverkehr in die übrigen europäischen Länder weitergeleitet werden.

Auch die Hersteller von Zivilflugzeugen profitieren vom Wachstum der Luftverkehrsbranche. Marktführer Boeing holte 1997 Aufträge für 568 Passagierflugzeuge im Wert von 42,8 Milliarden US-Dollar herein. Nachdem Lockheed schon vor einiger Zeit den Bau von Zivilflugzeugen aufgegeben hatte, gelang es Boeing jüngst, den letzten US-amerikanischen Konkurrenten McDonnell-Douglas durch eine Übernahme als Konkurrenten auszuschalten. Damit entstand ein Flugzeugherstellergigant, der nach dem Auseinanderfallen der Sowjetunion und ihrer Flugzeughersteller weltweit nur noch das europäische Airbuskonsortium zu fürchten hat. Die Palette reicht hier vom Kurzstreckenjet Boeing 737 bis zu dem Großraumgiganten Boeing 747, auch als Jumbojet bekannt, und der MD 11.

Bei der Auslieferung kam man 1997 auf 375 Einheiten, während Hauptkonkurrent Airbus nur 182 Flugzeuge auslieferte. Der Löwenanteil lag aber mit 127 Einheiten bei den Kurz- und Mittelstreckenjets der Modelle A 319, A 320 und A 321. Gerade im Segment der großen Langstreckenjets will Airbus mit den neuen Versionen 500 und 600 des Großraumjets A 340 Boeing Konkurenz machen.

Die A 340-500 erreicht immerhin eine maximale Reichweite von 15.372 Kilometern. Zur Jahrhundertwende sollen beide Modelle einsatzbereit sein. Vorbestellungen für die neuen Versionen der A 340 liegen bislang von Air Canada, Egyptair, EVA, Lufthansa, Virgin Atlantic und Swissair in einem Gesamtvolumen von 13 Milliarden Dollar vor. "Wir befinden uns jetzt auf dem besten Wege, unser gestecktes Ziel von regelmäßig 50 Prozent Marktanteil Anfang des kommenden Jahrhunderts zu erreichen", erklärte der scheidende geschäftsführende Direktor von Airbus Industrie, Jean Pierson. Wie auch in anderen Industriebereichen schreitet in der Luftfahrt die Konzentration voran. Man darf gespannt sein, ob Airbus seine ehrgeizigen Ziele erreichen kann.


 
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