© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/98 15. Mai 1998

 
 
Nachruf I: Persönliche Erinnerungen eines früheren Weggefährten an Erich Mende Nation und Liberalismus in einem
von Detlef Kühn

Ich gestehe es offen: Vor 33 Jahren bin ich insbesondere wegen der Deutschlandpolitik Erich Mendes in die FDP eingetreten. Als West-Berliner würdigte ich sein Eintreten für die Passierschein-Abkommen, die uns erstmals seit der Errichtung der Mauer am 13. August die Möglichkeit zum Besuch des Ostsektors der Stadt brachten. Erich Mende, seit 1963 Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, hatte dies damals gegenüber manchem Widerstand auch beim Koalitionspartner CDU durchgesetzt.

Ein gutes Jahr später, ich war inzwischen Mitarbeiter der FDP-Bundestagsfraktion und als solcher auch zuständig für die Deutschlandpolitik geworden, erlebte ich ihn persönlich. Er, wie auch seine Partei, steckte in Turbulenzen. Die Große Koalition brachte ihn 1966 um sein Amt als Bundesminister, der sich wandelnde Zeitgeist in der FDP hin zum Sozialliberalismus um einen großen Teil seines Einflusses in der
Partei.

Berufliche Eskapaden wie das Engagement für eine dubiose Investment-Firma beschädigten sein Ansehen. Dennoch war er immer noch einer der populärsten Politiker der Freien Demokraten. So habe ich es sehr bedauert, als Erich Mende 1970, nach Etablierung der sozialliberalen Koalition, glaubte, die Partei verlassen und seine politische Zukunft in der CDU suchen zu müssen. Im Gegensatz zum Beispiel zu dem Bundestagsabgeordneten Ernst Achenbach sah er nicht die Chancen, die sich gerade für eine nationalliberale Politik aus der neuen Ostpolitik ergaben. Er glaubte, sein Weggang werde der FDP den Todesstoß versetzen.

Dies erwies sich bekanntlich als Irrtum. Die meisten Nationalliberalen blieben in der Partei, hatten aber mit Erich Mende ihre Galionsfigur und damit erheblich an Einfluß verloren. Ich war damals schon der Auffassung, daß ein Mann, der sieben Jahre lang die FDP als Parteivorsitzender geführt und 1961 mit 12,8 Prozent der Stimmen ihren größten Erfolg bei einer Bundestagswahl erzielt hatte, die Parrtei nicht kampflos verlassen dürfe, nur weil der Zeitgeist sich änderte. Gerade bei einem von soldatischem Pflichtbewußtsein und einem hohen Sinn für Tapferkeit geprägten Politiker wie Mende erschien mir dieses Verhalten wie politische Fahnenflucht. Später hat Erich Mende dies wohl ähnlich gesehen, zumindest als schweren taktischen Fehler erkannt. Auch wenn er noch zehn Jahre lang für die CDU dem Bundestag angehörte, spielte er doch dort keine Rolle mehr, die auch annähernd mit seiner früheren Position in der FDP vergleichbar gewesen wäre.

So ist das politische Wirken Erich Mendes, das ihn in der alten Bundesrepublik 30 Jahre lang in zum Teil höchst einflußreiche Positionen geführt hatte, nicht frei von Tragik. Für den Nationalliberalismus, dessen wichtigster Protagonist er war, bedeutete sein Austritt aus der FDP 1970 den Anfang vom Ende des politischen Einflusses, da es auch Mende nicht gelang, diese geschichtsmächtige Kraft in der CDU zu verankern. Alle Nationalliberalen in Deutschland sind jetzt politisch so heimatlos, wie es Erich Mende bei seinem Tod war. Er starb am vergangenen Donnerstag im Alter von 81 Jahren in Bonn.


 
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