© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/98 15. Mai 1998

 
 
Ausstellung: "Der Barockmaler Johann Baur" in Rohan-Schloß in Straßburg
Meister zwischen Rafael und Tizian
von Gabriel Andres

Bis zum 7. Juni ist in der Galerie Robert Heitz des Rohan-Schlosses zu Straßburg eine Ausstellung zu sehen, die dem Werk des Straßburgers Johann Wilhelm Baur (1607–1642), einem Grafiker und Miniaturisten, gewidmet ist. Besucher aus Nah und Fern entdecken einen großen Künstler, dem seine Vaterstadt erstmalig eine große Ausstellung widmet. Die Werke Baurs – ursprünglich hieß er schlicht Bauer – sind um so bedeutungsvoller, als sie das Entstehen des Straßburger Kupferstichkabinetts eigentlich bewirkt haben. Der hier beheimatete Sammler Ferdinand Reiber (1848–1892) erwarb zahlreiche Werke Baurs. Nach seinem Tod wurde die Sammlung verkauft. Die damalige deutsche Museumsleitung bewarb sich erfolgreich darum; seit 1896 existiert das Straßburger Kupferstichkabinett, das heute rund 100.000 Stücke besitzt.

Baur entstammt einer alten, wohlsituierten Straßburger Goldschmiedfamilie. Der Junge wurde 1607 in der lutherisch gewordenen Jung St. Peterskirche getauft. Von 1620 bis 1628 absolvierte er seine Lehrzeit im Atelier von Friedrich Brentel, damals einer der berühmtesten Grafiker und Miniaturisten zwischen Nancy, wo Callot auf der Höhe seines Ruhmes stand, und Deutschland. Bei Brentel wurde Baur nicht nur ein fabelhafter Techniker, ein Virtuose des Stichels und der Miniaturmalerei, sondern auch ein weitblickender, weltoffener Humanist und gebildeter Mensch. Daß er durch den Manierismus angeregt wurde, der damals im hohen Ansehen stand, muß nicht verwundern: er war eine aufgeweckte Natur, die ihrem Talent ungeduldig freie Bahn ließ.

Nach den Lehr- begannen die Wanderjahre. Daniel Martin, seinerzeit Professor für Französisch an der Akademie zu Straßburg, schrieb dazu: "Ich sehe, dass man in dieser Statt nichts von einem halt, der nichts gesehen hat: er wird ein Aepfelbrater, Stubenhueter und Hauspenal gescholten." Baur ging nach Italien, gelangte über Stuttgart und Padua 1630 nach Rom, wo er einer deutsch-niederländischen Künstlergruppe, der "Schilderbent", beitrat. Er hatte blitzartig Erfolg. Im gleichen Jahr bestellte der zukünftige Kardinal Mazarin eine Reihe von Gouache-Miniaturen bei ihm. Mazarin blieb auch später Baur zugetan und empfahl ihn an zahlreiche Adelsfamilien. Baurs siebenjähriger Aufenthalt in Rom wurde lediglich durch einen kurzen Besuch in Neapel unterbrochen, wo er sich mit Meer- und Hafenbildern beschäftigte.

1637 verließ er Rom in Richtung Wien. Auch dort fand er freundliche Aufnahme; ein Jahr später heiratete er die Witwe eines Hofgoldschmiedes, Anna-Maria Faustner. Im selben Jahr erhielt er vom Hof den Auftrag zum Bild "Das Leben Christi und der Jungfrau", das eines seiner bedeutendsten Werke wurde. Sein originellstes Werk aber dürften die "Metamorphosen" nach Ovid sein, 150 Stiche, die dem Hofrat Jonas von Heysperg gewidmet sind. Die Wiener Periode war die bei weitem ertragreichste des Künstlers. In Wien starb er auch, im Januar 1642, erst 34 Jahre alt.

Gegensätzlich erscheinen bei Baur die Verwendung äußerst kleiner Formate – 24 mal 20 Zentimeter bedeuten bei ihm bereits "Großformate" – und die Darstellung beinahe unübersehbarer Menschenmengen auf dieser Fläche. "Sein "Babelturm", der mit einer Fläche von nur 36,5 mal 50 Zentimetern schon zu den größten Bildern zählt, ist ein Beispiel für diese Antinomie. Dieses scheinbare Paradoxon (scheinbar deshalb, weil Baur das Problem glänzend löst) ist für die Wanderjahre des Meisters typisch.

Denn in den letzten Jahren seines Lebens kehrte Baur von dieser Virtiosität wieder zu größerer Einfachheit zurück. Immerhin kennzeichnet Baur diese Malweise als einen Vorläufer des aufblühenden Barocks, sowohl hinsichtlich der Einzigartigkeit seiner Phantasie, als in der faszinierenden Lebendigkeit der Szenen, die er illustriert. Merkwürdig ist auch, für diese Zeit, der Umstand, daß der lutherisch getaufte Baur beinahe ausschließlich im Dienst katholischer Mäzene stand. Ein Umstand, der aber, bei aller Merkwürdigkeit, den humanen Zug seines Charakters kennzeichnet, der sich über gesellschaftliche und konfessionelle Schranken hinwegsetzte.

Baur hatte in jungen Jahren die Grauen des Dreißigjährigen Krieges, der aus dem Elsaß eine Einöde machte, aus nächster Nähe beobachten können. Das mag seine humane Überzeugung gefestigt haben. Er besaß die Achtung seiner italienischen Kollegen, die ihn als Vertreter des Callot-Stils bewunderten. In Wien war er als feiner Kenner des in der österreichischen Hauptstadt hochgeschätzten Italianismus verehrt worden.

Dennoch fehlte es auch Johann Wilhelm Baur nicht an Kritikern. Doch waren das bezeichnenderweise überwiegend Kunstkritiker. Unter Künstlern galt er, schon zu seiner Lehrzeit in Straßburg, als Meister seines Fachs. Nach seinem Tod stieg der Wert seiner Arbeiten noch an; sein Name stand zeitweise mit denen Rafaels oder Tizians auf einer Höhe. Dann geriet er in Vergessenheit, ehe ihn das zwanzigste Jahrhundert wiederentdeckte.

Die Ausstellung, zu der zahlreiche Museen, darunter die Albertina in Wien, beigetragen haben, ist eine einmalige Gelegenheit, sich mit dem Werk Baurs zu befassen.


 
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