© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/98  01. Mai 1998

 
 
Währungsunion: Die Entscheidung ist gefallen
Katerstimmung
von Bernd-Thomas Ramb

Nun haben alle mehr oder minder maßgeblichen Stellen dem Euro freie Bahn gegeben: Das Statistische Bundesamt, das Bundesverfassungsgericht, die Bundesbank, der Bundestag und der Bundesrat – jedoch nicht das Deutsche Volk, aber das war von Anfang an nicht als maßgeblich und seine Zustimmung nicht für notwendig erachtet worden. Störenfriede aus Wissenschaft und Neuparteien konnten im Zaum gehalten, die pseudoformellen Hürden der nicht mehr ganz so ernst genommenen Konvergenzkriterien locker genommen und die Augen-zu-und-durch-Strategie des Europakanzlers Kohl voll durchgezogen. Eigentlich für die Maastricht-Konformen aller Couleur ein guter Grund, die Sektkorken knallen zu lassen. Trotzdem scheint bei den verantwortlich Beteiligten keine rechte Feiertagsstimmung aufzukommen. Im Gegenteil, eine breite Katerstimmung macht sich allerseits breit.

Da mahnt während der Bundestagsdiskussion der designierte Kanzlernachfolger Schröder, den Ängsten der Bevölkerung vor dem Euro Verständnis entgegen zu bringen, und warnt vor den sozialen Folgen. Seine Parteikollegin Matthäus-Maier wirft der Bundesregierung sogar schwere Versäumnisse vor, weil sie keine Volksabstimmung über den Euro zugelassen habe. Dann wäre, so Matthäus-Maier, "viel früher, viel verständlicher und viel volksnäher über den Euro aufgeklärt worden". Als ob die SPD nicht selbst den Antrag zur Durchführung einer Volksabstimmung hätte stellen können.

Krokodilstränen auch bei den C-Parteien. Fraktionschef Schäuble entschuldigt die Abschaffung der D-Mark mit der zunehmenden Globalisierung der Märkte. Ihr kann, will Schäuble weismachen, prophylaktisch nur den Euro entgegensetzen werden. "Der Euro ist kein Abenteuer, aber in jedem Projekt stecken Risiken", baut Waigel dem offensichtlich auch von ihm für möglich erachteten Währungsdesaster vor. Und selbst dem Supereuropäer Kohl kommen mittlerweile öffentliche Zweifel, daß der Euro tatsächlich das von seinem Generalsekretär Hintze pastoral prophezeite Beschäftigungswunder bewirken wird.

Neben den nunmehr verstärkt wahrnehmbaren Bedenken, mit denen sich die politisch für den Euro Verantwortlichen für absehbare Währungsprobleme wieder aus der Verantwortung zu stehlen versuchen, zumindest aber um strafmildernde Protokollnotizen buhlen, sind aber auch die ersten Markierungen des kommenden Konfliktpotentials gesetzt. CDU/CSU und ihr marktwirtschaftlich schwindendes Feigenblatt FDP betonen, daß der Euro nicht dazu mißbraucht werden dürfe, die nationale Wirtschaftspolitik in einer europäischen aufzulösen und die Harmonisierung der Sozial-, Steuer- und Einkommenspolitik auf ein absolut notwendiges Minimum zu beschränken sei. Dagegen weist der standhafte Euro-Skeptiker Biedenkopf in darauf hin, das die Entwicklung der EU zur "Transferunion" zwangsläufiger Bestandteil eines fehlkonstruierten Euros ist. Auch den Mal-hin-mal-her-Kritiker Stoiber plagen arge Bedenken hinsichtlich der Möglichkeiten, schon jetzt bestehende EU-Töpfe zum Kaschieren der finanzpolitischen Sünden in den nationalen Haushalten der Teilnehmerländer zu mißbrauchen, die aufgrund ihres Schuldenstandes eigentlich nicht am Euro beteiligt sein dürften.

Aus der grün-sozialdemokratischen Sicht ist der Euro-bedingte Zwang zur europäischen Vereinheitlichung der Sozial-, Steuer- und Einkommenspolitik dagegen das willkommene Resultat der Währungsunion. Der geplante Bundeswirtschafts- und -finanzminister Lafontaine weiß sehr wohl, daß an die Stelle der entfallenen Möglichkeit, über Wechselkursanpassungen unterschiedliche nationale Wirtschaftsentwicklungen auszugleichen, nun die europäisierte Wirtschafts- und Sozialpolitik treten muß. Insbesondere die europastaatliche Beschäftigungspolitik hat es den Sozialdemokraten angetan, wohlwissend daß die europäischen Nachbarländer – allen voran das sozialistisch-kommunistisch regierte Frankreich – ähnliches Gedankengut pflegen.

Die Grünen verbinden ihre Eurozustimmung mit der Erwartung der endgültigen Verlagerung der politischen Allmacht auf die europäische Ebene. "Wir brauchen den Schritt zur politischen Union", folgert Grünensprecher Fischer aus seiner These, daß Deutschland nach seiner "grauenhaften Geschichte" in seinen nationalen Gestaltungsmöglichkeiten möglichst vollständig zu paralysieren sei. Die Grünen gehen im übrigen – zumindest in ihren öffentlichen Bekundungen – auch wirtschaftlich weiter als ihr potentieller Regierungspartner SPD. Sie wollen dem "Fetisch" der Stabilitätsforderung an den Euro ein Ende bereiten.

Die Voraussage der außerparlamentarischen Opposition, der Euro schaffe Unfrieden in Europa, wird durch die Diskussion im Rahmen der überwältigenden Zustimmung bereits im eigenen Lande bestätigt. Die unlösbaren Konfliktpotentiale sind aufgezeigt und damit der Weg zum Scheitern des Euros unumkehrbar beschritten.


 
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