© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/98  01. Mai 1998

 
 
Wie geht es weiter?
von Dieter Stein

Man muß sich festhalten: Die 12,9 Prozent für die DVU in Sachen-Anhalt sind eine politische Sensation. Es ist das höchste Wahlergebnis, das eine rechte Formation bei einer Landtagswahl in Deutschland seit 1949 erhalten hat. Sicher ist dieses hohe Ergebnis auf Besonderheiten zurückzuführen: Trotz sieben Jahren Einheit haben sich nicht solche traditionellen Bindungen zu den Parteien herausgebildet wie im Westen. Der Wähler springt schneller hin und her.

Bemerkenswert ist das Erststimmen-Verhalten der DVU-Wähler: Fast die Hälfte kreuzte mit der Erststimme einen SPD- oder PDS-Kandidaten an (PDS 23 Prozent, SPD 22 Prozent). Dies zeigt, wie schwer man aus den DVU-Wählern "Rechte" und den PDS-Wählern "Linke" machen kann. Die Grenzen sind erstaunlich fließend, die politischen Lager gar nicht so weit voneinander entfernt.

Die Frage ist nun: Wie geht es weiter? So wie es momentan aussieht, ist zur Bundestagswahl mit dem Antreten von vier starken Kleinparteien zu rechnen, die um die Gunst "rechter" Protestwähler konkurrieren oder im bürgerlichen Terrain Unzufriedene mobilisieren wollen: Republikaner, Bund Freier Bürger, jetzt wahrscheinlich noch die DVU und seit vergangener Woche eine Liste "Pro D-Mark" des Düsseldorfer Verlegers Bolko Hoffmann. Hoffmann will 20 Millionen Mark in den Wahlkampf investieren. Experten schätzen, daß von diesen Gruppierungen insgesamt rund 50 Millionen Mark in einen Wahlkampf geworfen wird, der am Ende weniger gegen die angegriffene Bundesregierung, sondern vielmehr gegen Konkurrenten gerichtet ist.

Dies ist eine abenteuerliche, in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht dagewesene Situation. Deutlicher kann es kaum noch sichtbar werden, in welche Identifikationskrise die Unionsparteien im bürgerlichen Lager geraten sind. Fraglich ist jedoch, wie sich die Millionen enttäuschten und verbitterten Wähler im September dieses Jahres verhalten werden, wenn sich ihnen keine starke, seriöse Alternative auf dem Stimmzettel anbietet.

Wenn die Lage zu unüberschaubar wird, werden sich erstaunlich viele in die Wahlenthaltung flüchten oder zähneknirschend Gerhard Schröder als neues "kleineres Übel" wählen. Dies wird die Mehrheiten noch weiter nach links kippen. Kohl wird dann allemal abgelöst. Die CDU wird es in jedem Fall am Abend des 27. September bitter bereuen, jede konservative, rechte Alternative zu ihr pauschal diffamiert zu haben. Statt kritischer politischer Gegner bekommt sie dann den Protest in noch radikalerer Form serviert – wie in Magdeburg.


 
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