© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/98 24. April 1998

 
 
Medien: Die "taz" greift Horst Mahler wegen eines Beitrages in der JF an
Diskussion über Grenzen hinweg
von Thorsten Thaler

Ein Meinungsbeitrag von Horst Mahler zum Erbe der 68er Bewegung, den die junge freiheit in der vergangenen Woche veröffentlichte, hat bei der linken Berliner Tageszeitung taz heftige Reaktionen hervorgerufen. Mahler, der zur "ersten Generation" der Rote Armee Fraktion (RAF) gehörte und zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 14 Jahren verurteilt wurde, beschreibt darin aus seiner Sicht die historischen Entstehungsbedingungen für die Studentenrevolte und kommt zu dem Schluß: "Wir erleben dieses Resultat der Kulturrevolution von 1968 jetzt als die Hölle, denn mit Tradition und Religion ist unsere sittliche Substanz verflogen."

Für die im Frühjahr 1978 ebenfalls im Gefolge der Rebellion gegründete taz allemal Grund genug, an "Verstand und Gesinnung" von Horst Mahler zu zweifeln. Unter der stereotypen Überschrift "Marsch nach rechts" beklagt sich das Blatt über Mahlers "Ausflug an den rechten Rand", der ehemaligen Weggefährten "rätselhaft" bleiben dürfte. Als anstößig empfindet die taz eine Passage, in der Mahler die "kulturelle Defundamentalisierung" geißelt, in deren Folge das Heidentum auferstanden sei. "Der Kulturbetrieb, der ja weitergeht wie ein Perpetuum mobile, ist nur Schein. In ihm bewegt sich nichts. Als kulturloses Volk leben wir in einer zweiten Steinzeit", formuliert Mahler.

Dem ersten 40-Zeilen-Zweispalter in der taz am vergangenen Freitag folgte nur einen Tag später in der Wochenendausgabe ein zweiter Beitrag in der Rubrik "Querspalte". Die taz-Veteranin Ute Scheub überdeckt darin ihre Sprachlosigkeit, indem sie sich über Horst Mahler lustig macht. "Die PsychotheraupeutInnen von heute behandeln Drogensucht, Arbeitssucht, Sexsucht – warum eigentlich nicht Glaubenssucht? Glaubenssucht ist eine schwere Krankheit. Die von ihr Besessenen wechseln ihre Gottheiten schneller als ihren Schlafanzug. Was sie nicht davon abhält, ihren Glauben mit Feuer und Schwert zu verteidigen. Horst Mahler ist ein solcher Fall."

Der Rechtsanwalt und Mitbegründer des "Sozialistischen Anwaltskollektivs" habe immer an "Endsiege" geglaubt: erst an den der Studentenbewegung von 1968 und den der RAF, später an den des Proletariats in Gestalt der KPD. Nach seiner Haftentlassung 1980 habe Mahler dann an den Endsieg des Liberalismus geglaubt, weil er Mitglied der FDP geworden sei und Schulungskurse für Manager gegeben habe. Mit seinem Beitrag in der jungen freiheit scheine Horst Mahler nun "das letzte Stadium vor dem bevorstehenden Endsieg der Demenz erreicht zu haben", meint Ute Scheub und zieht das Fazit ihrer Betrachtung: "Armer Horsti."

Der Angegriffene selbst nimmt die Vorwürfe gelassen. Gegenüber dieser Zeitung machte Mahler seinen Standpunkt deutlich: "Es hat in Deutschland nie eine Debattenkultur gegeben. Die müßten wir erst noch schaffen. In diesem Sinne will ich meinen Beitrag verstanden wissen." Er plädiert für "einen Diskurs über alle Grenzen", damit nicht wieder über diese Grenzen hinweg geschossen werde. Mahler wörtlich: "Gegenwärtig erleben wir die geistige Diktatur der political correctness. Die gilt es zu brechen."


 
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