© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/98 24. April 1998

 
 
Virtuelle Rechts-Partei
von Dieter Stein

In Sachsen-Anhalt tritt eine ähnliche Situation ein wie in Hamburg im vergangenen September: Bei den Umfragen werden unter den rechten Parteien zunächst die Republikaner bei vier Prozent gehandelt, um dann im Endspurt durchzufallen. In Hamburg agierte ein schwacher Landesverband, in Sachsen-Anhalt ein zerstrittener. Das Wahlbündnis der Republikaner mit DSU und einer weiteren konservativen Kleinpartei wurde aufgrund von Formfehlern nicht anerkannt, statt dessen steht eine vom Bundesvorstand nicht gebilligte Landesliste der Partei auf dem Wahlzettel. Ergebnis: Der Wahkampf findet auf kleinster Flamme statt.

Wie in Hamburg – Überraschung! – tritt nun in Sachsen-Anhalt wieder die firmeneigene Partei eines Münchner Verlegers auf den Plan: die "DVU" – eine praktisch nur auf dem Papier existierende Partei. Diese virtuelle Formation gibt im Wahlkampf drei Millionen Mark aus – mehr als CDU und SPD zusammen, die lediglich 2,8 Millionen ausgeben. Über Magdeburg ein Flugzeug ("Wählt DVU!"), Postwurfsendungen an alle Wähler, Extra-Briefe an Jungwähler und Arbeitslose.

Betreiben nicht auch die etablierten Parteien virtuelle Politik? Ist das nicht auch ein virtueller Kandidat, den SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering in Leipzig in einer minutiös geplanten Gala ("Sonderparteitag") vorstellte?

Die Methode, mit der die DVU Wahlkampagnen gestaltet, ist zweifellos legitim und auch erfolgreich. Würde sich hinter der Briefkastenfirma auch eine reale Partei mit ernstzunehmendem Personal befinden, so könnte sie wahrscheinlich sehr erfolgreich sein. So wird die DVU am kommenden Sonntag in erster Linie ein Indikator für das Versagen der übrigen Parteien sein. Sowohl für das Versagen der etablierten Parteien aber auch der PDS und der Republikaner. Die anderen Parteien ignorieren mit einer solchen Arroganz den Willen vieler Bürger (Euro, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Einwanderung), daß diese bereit sind, eine no-name-Partei anzukreuzen, die durch genügend Rummel darauf hingewiesen hat, daß man bei diesen Themen Protest wählen kann.

Nach den letzten Umfragen zieht die DVU mit sechs Prozent in den Landtag von Magdeburg ein. Dies kann Höppner die absolute Mehrheit kosten und ihn in eine Große Koalition zwingen, das Tolerierungsmodell wäre tot. Höppner: "Wir können uns doch nicht dem Verdacht aussetzen, von den Rechten unterstützt zu werden." Gar nicht auszudenken, wieviel Prozent eine seriöse konservative oder rechte Formation bei Wahlen erhalten könnte, wenn sie mit einer ähnlichen organisatorischen Wucht aufträte wie die DVU. Nur noch fünf Monate bis zur Bundestagswahl…


 
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