© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/98 24. April 1998

 
 
Fusionen: Die Konzentrationen im Bankenwesen nimmt zu
Die Rendite muß stimmen
von Gerhard Quast

Die BankAmerica Corp. vereinigt sich mit der NationsBank Corp. zur größten US-Bank mit über 5.000 Filialen, die Bank One kauft die First Chicago NBD und ist damit das vorherrschende Geldinstitut im mittleren Westen, und die Citicorp. fusioniert mit dem Makler- und Versicherungsunternehmen Travellers Group zur Citigroup: Drei Beispiele der Superlative machten in den letzten Wochen von sich reden. Doch diese kleine Aufzählung der spektakulärsten Fusionen US-amerikanischer Banken ließe sich noch um einige hundert weitere Zusammenschlüsse ergänzen, die im letzten Jahr in den USA erfolgten. In keinem anderen Land ist die Branche derart in Bewegung geraten. Ein Ende der Fusionen, Aufkäufe und Kooperationen ist angesichts der rund 9.000 eigenständigen Geldhäuser noch lange nicht in Sicht. Bisher war das Bankenwesen in den USA vielschichtiger und mit dem deutschen Universalbankensystem kaum zu vergleichen, es herrschte eine strenge Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken. Erst durch den Abbau dieser gesetzlichen Hürden ist Bewegung in die US-Bankenlandschaft gekommen.

Schon die bisher erfolgten Fusionen haben jedoch ihre Auswirkungen auf die Weltrangliste der größten Banken: Noch vor drei Jahren führten acht japanische Banken die Reihung an; an neunter Stelle stand das französische Institut Crédit Lyonnais (Bilanzsumme: 324 Mrd. US-Dollar), gefolgt von der Deutschen Bank (309 Mrd.) Die damals führende Fuji Bank (458 Mrd.) muß sich heute (487 Mrd.) – trotz verbesserter Bilanzsumme – mit einem neunten Rang zufriedengeben. Die anderen japanischen Banken fielen aus der Weltrangliste ganz heraus oder mußten sich mit schlechteren Plazierungen zufriedengeben. Lediglich die Mitsubishi Bank (1995: 391 Mrd.) konnte sich durch Fusion zur Bank of Tokio-Mitsubishi (1998: 720 Mrd.) im Kampf der Giganten behaupten und ist damit das weltweit führende Finanzinstitut, gefolgt von der soeben aus der Taufe gehobenen US-amerikanischen Citigroup (700 Mrd.), der United Bank of Switzerland (591 Mrd.), der Deutschen Bank (570 Mrd.) und der US-Fusion BankAmerica Corp. (570 Mrd.).

Mit einem natürlichen Wachstum, darüber sind sich die meisten Experten einig, ist eine Positionierung auf der Weltrangliste nicht mehr zu schaffen, sondern allein durch Fusion mit einer anderen Großbank. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß auch in anderen europäischen Ländern das Fusionsfieber ausgebrochen ist. Am meisten Bewegung ist in dieser Hinsicht in Frankreich zu erwarten, wo die Privatisierung der Staatsbanken ansteht. Interesse an einer Beteiligung am Crédit Lyonnais hat zwar auch die Deutsche Bank gezeigt, das Rennen wird aber mit Sicherheit von einem französischen Geldinstitut gemacht werden, so daß auch Frankreich wieder in den Kreis der zehn größten Banken aufsteigen wird.

Die deutschen Banken beobachten diese Entwicklung bisher mit Gelassenheit. "Fusionen, wie sie jetzt in den USA stattfinden, hat es auch in Deutschland und in anderen Ländern gegeben. Jede Bank muß sich entscheiden, welchen Weg sie vor dem Hintergrund der Globalisierung und der Europäischen Währungunion einschlagen will", versucht der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Manfred Weber, in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel zu beschwichtigen. "Größe allein reicht nicht aus."

In die gleiche Richtung gehen Äußerungen von Deutsche Bank-Sprecher Walter Schumacher, der die Position seines Bankhauses in der Weltliga durch Fusionen US-amerikanischer Großbanken nicht gefährdet sieht, schließlich konzentriere man sich auf den europäischen Währungsraum und hege im Moment keine globalen Ambitionen.

Aber auch diese Selbstbeschränkung wird die größte deutsche Bank unter Zugzwang bringen, denn auch in Europa wird es – unabhängig von der US-amerikanischen Entwicklung – mit der Einführung des Euro zu größeren Fusionen kommen, prophezeit Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer. Die Vergrößerung der Märkte wird größere Banken nach sich ziehen, so Tietmeyer.

Daß mit Fusionen auch in Deutschland gerechnet wird, machte das verstärkte Spekulieren mit Bankaktien in den letzten Wochen deutlich, das dem Deutschen Aktienindex (DAX) an der Frankfurter Börse ein Rekordniveau bescherte. Die Erwartungen sind allerdings größer als die Möglichkeiten, die sich in Deutschland bieten. Übernahmekandidaten gibt es in Deutschland nicht viele. Die Rechtsform der Sparkassen und Raiffeisenbanken macht eine Fusion äußerst schwierig. Ein Großteil der Geldinstitute bleibt somit von vornherein außen vor. Auch die Dresdner Bank sieht sich in der Lage, ohne Zusammenschluß mit anderen Großbanken konkurrieren zu können und dementiert alle Spekulationen. Eine Fusion mit den selber gerade erst vor der Fusion stehenden Bayerischen Vereinsbank und Bayerischen Hypo ist aber nicht ausgeschlossen, denn an allen dreien ist die Allianz maßgeblich beteiligt. Als Fusionskandidat wird auch noch die Commerzbank gehandelt, die auf europäischem Parkett ohne Partner dasteht.

Daß die führende Stellung der Deutschen Bank nicht von Dauer sein muß, macht ein Blick in die Vergangenheit deutlich: Vor 20 Jahren waren mit der Dresdner Bank und der Westdeutschen Landesbank zwei weitere deutsche Banken auf der Weltrangliste vertreten, die heute auf hinteren Plätzen rangieren.

Größe allein ist zwar kein Wert an sich, schließlich zählt am Ende die Rendite, doch darauf sind die Fusionen in ihrer Gesamtheit ausgerichtet: Sie wollen im internationalen Wettbewerb bestehen und werden versuchen, ihre Kosten massiv zu senken.

 

Siehe Kommentar Seite 2


 
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