© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/98 24. April 1998

 
 
Volksbegehren: "Gentechnikfrei aus Bayern" geht am Freitag an den Start
Die CSU droht mit Bußgeldern
von Michael de Wet

Mit dem heutigen Freitag beginnt im Freistaat die Eintragungsfrist für das Volksbegehren "Gentechnikfrei aus Bayern". Sie endet am 7. Mai. Während dieses Zeitraumes müssen sich mindestens zehn Prozent der wahlberechtigten Bürger Bayerns – fast 900.000 Menschen – in Listen eintragen, die in Rathäusern und Gemeindeverwaltungen ausliegen. Nur wenn diese zehn Prozent beim Volksbegehren erreicht werden, kommt es zum eigentlichen Volksentscheid. Die Chancen, diese Hürde zu überwinden, stehen nicht schlecht, legt man als Meßlatte das Ergebnis der Unterschriftensammlung an, die nötig war, um dieses Volksbegehren überhaupt zuzulassen. Statt der benötigten 25.000 Unterschriften hatten die Initiatoren dem bayerischen Innenminister einen Packen von 230.000 unterschriebenen Formularen übergeben.

Die Palette der Unterstützer des Volksbegehrens ist bunt und vielfältig. Neben einer Fülle von Umwelt- und Verbraucherverbänden, kirchlichen und bäuerlichen Initiativen, ökologischen Jagd- und Ärztevereinen, den Grünen und der SPD sind in diesem Bündnis in seltener Eintracht auch die PDS, die ÖDP, das Friedenskomitee 2000 um Alfred Mechtersheimer und die Bayernpartei vereint.

Im Vorfeld der Zulassung des Volksbegehrens kam der heftigste Widerstand hiergegen von Teilen der Agrarindustrie und vor allem von der CSU, die erklär-termaßen Bayern zum Gentechnik-Standort Nummer Eins in Europa ausbauen und entsprechende Hemmnisse abbauen will. Ein vom Verband der chemischen Industrie aus Steuergeldern gemeinsam finanziertes "BioTech-Mobil" tourte wochenlang durch das Land, um an Höheren Schulen die Werbetrommel für die angeblichen Vorzüge der Gentechnik zu rühren. Als das Volksbegehren zugelassen wurde, änderte die CSU ihre Taktik: Nun legte sie einen eigenen Gentechnik-Gesetzentwurf vor, der Ende März im Landtag erwartungsgemäß verabschiedet wurde, und der an Schärfe den Text des Volksbegehrens um Längen übertrifft. Vor allem aber ist die Stoßrichtung eine andere: So darf nur das Produkt als gentechnikfrei bezeichnet werden, in dem keinerlei gentechnisch veränderte DNA nachweisbar ist. Wer sein Produkt als "gentechnikfrei" deklariert, muß, falls dennoch gentechnisch veränderte DNA – und sei es durch Außeneinwirkung – nachgewiesen wird, hohe Bußgelder zahlen.

Gerade hier wittern die Umwelt- und Verbraucherschützer den Pferdefuß: Das Gesetz sei eine "Mogelpackung" und die darin erhobenen Forderungen in der Praxis nicht umsetzbar, erklärte Doris Topper, Vertrauensfrau des Volksbegehrens. Eine hundertprozentige Gentechnik-Freiheit gebe es nicht immer, da es durch Pollenflug von gentechnisch veränderten Pflanzen zu unverschuldeter geringfügiger Verunreinigung von biologisch "sauberen" Anbauflächen kommen könne. "Einerseits sorgt die CSU mit allen Mitteln für eine gentechnische Durchsetzung der Flur, andererseits sorgt sie mit drakonischen Gesetzen dafür, daß ausgerechnet diejenigen, die selbst keinerlei Gentechnik einsetzen, ihre Produkte nicht kennzeichnen können oder womöglich noch bestraft werden. Dies erinnert an die Taktik, die die chemische Industrie und ihre gekauften Gutachter vor Jahrzehnten gegen den ökologischen Landbau anwandte: Öko-Lebensmittel seien ja auch nicht "frei" von Pestizid-Rückständen. Verschwiegen wurde, daß sie natürlich deutlich weniger davon enthalten als die direkt begifteten", unterstreicht Karin Miethauer-Vent, Würzburger Vorsitzende des Bund Naturschutz.

Dadurch, daß dieses "Gesetz zur freiwilligen Kennzeichnung gentechnikfreier Lebensmittel", so der genaue Name, den Bürger in "eine Scheinsicherheit" wiege, sei es gefährlich und müsse deshalb durch den Entwurf des Initiativbündnisses abgelöst werden, begründet Doris Topper das Festhalten an dem Volksbegehren. Dieses verlangt die Einführung eines Gütesiegels "Gentechnikfrei aus Bayern", das auf Antrag verliehen wird. Im Antrag muß nachvollziehbar und nachprüfbar belegt werden, daß beim gesamten Herstellungsprozeß keine gentechnischen Methoden angewandt wurden. Unabhängige Organisationen sollen das Gütesiegel nach der Prüfung der Antragsunterlagen vergeben und nach einem strengen Kriterienkatalog die Einhaltung der Standards kontrollieren. Die auf diese Weise mit einer positiven Kennzeichnung versehenen Produkte würden dem Verbraucher die Sicherheit geben, wirklich zu wissen, was er ißt.


 
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