© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/98 24. April 1998

 
 
Johannes Klotz/Ulrich Schneider (Hg.): Die selbstbewußte Nation und ihr Geschichtsbild
Eine schwache Leistung, Genossen
von Werner Olles

Wenn die extreme Linke literarisch über Konservative oder angebliche "Neue Rechte" zu Gericht sitzt, wird daraus im Regelfall eine an die stalinistischen Prozesse gegen Volks- und Klassenfeinde gemahnende Inquisitionsveranstaltung. Das ist auch hier nicht anders. Von geistiger Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner – wie die Herausgeber in ihrem Vorwort vollmundig behaupten – findet sich weit und breit keine Spur, dafür dominieren Unterstellungen, Halbwahrheiten und Diffamierungen. Alles also wie gehabt.

Fachwissenschaftlich ist keine einzige These und kein einziger Vorwurf der Autoren an die Adresse der "Neuen Rechten" haltbar. Aber es geht ausgewiesenen Linken wie Reinhard Kühnl, Ludwig Elm oder Karl Heinz Roth ja primär um die Aufrechterhaltung diverser Versatzstücke antifaschistischer Rhetorik. Als moralische Legitimation genügt es da bereits vollkommen, den Gegner in die Nähe "neofaschistischer" Ideen und Ziele zu bringen, das erspart mühselige Analysen und Untersuchungen der vielfältigen Erscheinungsformen des deutschen Konservatismus und diskreditiert zugleich jegliche typologische Forschung, wie sie Ernst Nolte überaus kenntnis- und faktenreich in den letzten Jahrzehnten geleistet hat.

Zu den Versatzstücken, mit denen hier wieder einmal – wenngleich auch ziemlich unbeholfen – hantiert wird, gehört natürlich auch der immergleiche Hinweis auf den sogenannten deutschen "Faschismus", den Karl Heinz Roth zum Beispiel umstandslos in eine Reihe mit der Action Française, dem Austrofaschismus und dem italienischen Faschismus stellt.

Daß er damit unbewußt Noltes Theorien bestätigt, scheint den Autor nicht zu stören. Auf diese Weise kann man natürlich mit Begriffen und Definitionen um sich werfen, daß dem Leser nur so die Augen flimmern und jedem ernsthaften Historiker die Haare zu Berge stehen. Tatsächlich bilden jedoch derartige historisch bedenkliche und spektakuläre Vergleiche die Grundlage der sprachlichen Ausfälle der Texte.

So wirft beispielsweise der Kühnl-Schüler Gerd Wiegel in seinem Beitrag "Politik mit der Vergangenheit" Rainer Zitelmann vor, daß dieser die NSDAP als "eine wirklich nationalsozialistische Arbeiterpartei" beschrieben hätte. Nun hat aber schon Rudi Dutschke Anfang 1968 im Berliner Oberbaumblatt die NSDAP neben SPD und KPD zu den drei bedeutendsten deutschen Arbeiterparteien gezählt. Der Vorwurf der "Reproduktion der Propaganda der Faschisten" läuft also vollkommen ins Leere.

Was die Autoren zur Rolle der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg schreiben, schließt nahtlos an die Fälschungen und Verleumdungen der berüchtigten Reemtsma-Heer-Wanderausstellung an. Mitterrand, der verstorbene sozialistische Präsident Frankreichs, fällte am 50. Jahrestag der Kapitulation der deutschen Armee ein ganz anderes Urteil, als er in seiner großen Rede in Berlin die Ehre der deutschen Soldaten verteidigte und ihre Tapferkeit rühmte. Mitterand wörtlich: "Sie hatten Mut. Sie haben den Verlust ihres Lebens für eine schlechte Sache hingenommen, aber wie sie es taten, hatte mit der Sache nichts zu tun. Sie liebten ihr Vaterland!"

Am ungeschicktesten geht der DDR-Historiker Ludwig Elm vor. In seinem Beitrag "Zwei Diktaturen – zwei totalitäre Regimes" schreibt er, "daß der politische Mord in Deutschland … wesensgemäß und massenhaft von der Rechten ausging, in der politischen und Rechtsideologie eines Carl Schmitt seine höhere Weihe und Rechtfertigung erhielt und bis heute nur in der faschistischen Bewegung im konstitutiven Sinn als Prinzip und durchgängige Praxis anzutreffen ist". Einmal ganz davon abgesehen, daß es eine "faschistische Bewegung" in Deutschland außer in der trüben Phantasie des Herrn Elm niemals gegeben hat – die Herrschaften legten nämlich außerordentlichen Wert darauf, Nationalsozialisten zu sein –, müßte es dem Autor doch wohl bekannt sein, daß die Genossen vom Staatssicherheitsdienst der DDR den barbarichen RAF-Mördern nicht nur zu einer ruhigen Existenz verholfen, sondern auch Attentätern und Terroristen logistische Unterstützung gewährt haben.

Den Vogel schießt Elm jedoch mit der Behautung ab, die sowjetische Rote Armee hätte nach 1945 das KZ Buchenwald nicht weitergeführt. Gleich im nächsten Satz widerspricht er sich aber selbst, wenn er schreibt, daß "nicht viele Menschen ermordet wurden", sondern "von den Inhaftierten ein außerordentlich hoher Prozentsatz im Gefolge von Unterernährung, unzureichenden hygienischen Verhältnissen und Krankheiten sowie der Gesamtheit der Haftbedingungen verstorben" ist.

Dies ist in der Tat ein geradezu atemberaubender Satz, denn mit exakt den gleichen Lügen, mit denen Elm die Massenmorde der kommunistischen Henkersknechte leugnet, exkulpieren auch die sogenannten "Auschwitz-Leugner" die Mordtaten der Nationalsozialisten.

So schließt sich also endlich der Kreis, und die Extremisten von links und rechts können sich, wieder einmal, zufrieden die Hände reichen. Es bedurfte wohl gar keines besseren Beweises für die Richtigkeit der demokratischen Totalitarismus-Theorie – welche die Autoren des vorliegenden Bandes immer wieder als Aspekt konservativer Hegemoniebestrebungen schmähen – als die versuchte Verächtlichmachung deutscher Geschichte durch ultralinke Dummheit und ultralinken Haß.

Dieser Aporie müssen Konservative eine Aufarbeitung der Geschichte entgegenstellen, die den Extremisten verschiedenster Couleur ein für allemal den Weg verlegt. Es genügt auch nicht, daß die seriöse Fachwissenschaft orthodoxe Marxisten/Leninisten wie Kühnl oder Elm ächtet und selbst intellektuelle Linke die plumpe antifaschistische und ökonomische Strategie dieser lernunwilligen DKP/SED-Heroen immer weniger schätzen. Wer derartig skandalöse Beiträge verfaßt wie Ludwig Elm oder der im Duktus eines primitiven Antifaschismus grobschlächtig formulierende Reinhard Kühnl, der versucht halt zu retten, was noch zu retten ist.

Leider sind jedoch auch die übrigen Texte so gut wie wertlos. Manches läßt dabei an Wahnvorstellungen oder Verschwörungskonzepte klassischen Zuschnitts denken. So konnte nur ein ungenießbares Gebräu entstehen, dessen abwegige Kapitelchen möglicherweise bei den Schlägertrupps der "Autonomen Antifa" noch auf Interesse stoßen werden. Wenn sich künftige Arbeiten der extremen Linken zu diesem Thema in den gleichen Bahnen bewegen sollten, dann kann man sich in der Tat jede Auseinandersetzung mit solchen Pamphleten ersparen.

 

Johannes Klotz/Ulrich Schneider (Hg.): Die selbstbewußte Nation und ihr Geschichtsbild. Geschichtslegenden der Neuen Rechten – Faschismus/Holocaust/Wehrmacht, PapyRossa Verlag, Köln 1997, 221 Seiten, brosch., 28 Mark


 
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