© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/98 17. April 1998

 
 
Spanisch-amerikanischer Konflikt: Die Geburt des US-Imperialismus
Der herrliche kleine Krieg
von Ronald Gläser

Fast vergessen ist ein Ereignis aus dem Jahr 1898, das die Amerikaner gerne als den "splendid little war" bezeichnen, ihren Krieg gegen Spanien. Aber der spanisch-amerikanische Krieg ist mehr als ein erfolgreicher Schlag zur Befreiung Kubas. Das Jahr 1898 markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der amerikanischen und in der Weltgeschichte. Während sich Spanien endgültig aus dem Konzert der Großmächte verabschiedete, stiegen die Vereinigten Staaten zur Weltmacht auf. Spanien verlor seine letzten bedeutenden Kolonien, und Amerika, die ehemalige britische Kolonie, wurde durch den Krieg selbst zur Kolonialmacht. Weil die letzte nennenswerte europäische Bastion auf dem amerikanischen Kontinent fiel, sind die USA seitdem unbestrittener Führer der westlichen Hemisphäre. Und erstmals griffen sie auch nach einem bedeutenden Territorium, das nicht in Amerika lag: die Philippinen.

Die USA begannen ihre Expansionsphase, nachdem der ganze Kontinent besiedelt, nachdem die frontier zum unbewohnten, bzw. von Indianern bewohnten, Gebiet geschlossen war. Zuerst annektierten die Vereinigten Staaten einige Inseln im Pazifik, um die Handelsroute nach China sichern zu können (Midway, Hawaii).

Dann wandte sich das US-Interesse der Westlichen Hemisphäre zu, den Nachbarn südlich des Rio Grande. 1897 wurde Theodore Roosevelt, späterer Präsident und Befürworter einer imperialen Politik, ziemlich deutlich: "Ich sollte beinahe jeden Krieg begrüßen, weil ich glaube, daß dieses Land einen braucht."

 

Spanien verlor seine letzten bedeutenden Kolonien

Vor diesem Hintergrund kam es zu den Spannungen zwischen den USA und Spanien. Der Auslöser war Kuba, bzw. die spanische Besatzungspolitik. Kuba war die einzige spanische Kolonie in der Neuen Welt geblieben, nachdem sich praktisch ganz Lateinamerika von der Kolonialmacht getrennt hatte. 1895 war ein blutiger Befreiungskrieg der Kubaner entbrannt, in dem Spanien mit wenig Nachsicht gegen die Rebellen vorging. In den lateinamerikanischen Staaten gab es zwar Sympathie für die Aufständischen, andererseits befürchtete man, durch eine Niederlage Spaniens, das letzte Gegengewicht zu den übermächtigen Vereinigten Staaten zu verlieren. So unterblieb eine nachhaltige Unterstützung für die kubanischen Rebellen durch die lateinamerikanischen Staaten. Argentinien unterstützte sogar offen die Spanier.

Die USA erkannten den Status der Rebellen als kriegsführender Nation ebenfalls nicht an, lehnten eine offene Parteinahme für die Aufständischen kategorisch ab und beschlagnehmten Waffenlieferungen für die Rebellen in Florida. Erst die neu entstandene Boulevardpresse übte wegen der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen Druck auf die Administration in Washington aus. Am 15. Februar 1898 explodierte im Hafen von Havanna die U.S. Maine, ein amerikanisches Kriegsschiff, wobei 266 Amerikaner ums Leben kamen. Vermutlich hatte ein Unfall im Kesselraum die Explosion ausgelöst, in der zugespitzten Lage aber konnte Präsident McKinley nicht viel anders, als den Spaniern ein Ultimatum zu stellen.

Am 11. April erklärte Amerika Spanien den Krieg. Dieser verlief kurz und schmerzlos. Nach der Zerstörung der spanische Flotte in der Bucht von Manila, landeten die Amerikaner auf Kuba und errichteten vor Santiago eine Seeblockade. Dort wurden auch im Juli die archaischen spanischen Kriegsschiffe vernichtet, woraufhin Spanien um Frieden bat. Guam, Puerto Rico und die Philippinen wurden an die USA im Friedensvertrag von Paris abgetreten.

Damit begann die verstärkte Einflußnahme der Vereinigten Staaten in Lateinamerika. Weniger durch die Landnahme als durch die Bildung eines informalen Imperiums beherrschen sie seitdem die "Westliche Hemisphäre". Ein informales Imperium zeichnet sich dadurch aus, daß es aus Einflußzonen in unterentwickelten Regionen besteht, die nicht den administrativen Aufwand einer Kolonie erfordern, durch die einseitige Abhängigkeit aber denselben Nutzen mit sich bringen.

 

Die USA übernahmen die Führungsrolle in Amerika

Nachdem Spanien, als letzte große Kolonialmacht aus Amerika vertrieben war, übernahmen die USA die unbestrittene Führungsrolle auf beiden Kontinenten. 1902/03 bekam das deutsche Kaiserreich dies als erste Nation zu spüren: In der zweiten Venezuelakrise war das Reich im Zusammenspiel mit England und Italien vorgeprescht, und hatte die Eintreibung venzolanischer Schulden übernommen. Deutsche Kanonenboote lieferten sich Gefechte mit Küstenforts, während sich Engländer und Italiener vornehm zurückhielten und ihre Schiffe schließlich zurückriefen. Präsident Roosevelt vermittelte in diesem Konflikt, wobei dem Kaiserreich mit einer offenen Konfrontation gedroht wurde. 1904 verkündete Roosevelt, daß "chronisches Fehlverhalten" in lateinamerikanischen Ländern Interventionen zivilisierter Nationen zur Folge haben werde. Diese Drohung galt unterschwellig auch für die europäischen Interventionsmächte.

Es folgten mehrere politische und militärische Interventionen der USA in Lateinamerika: 1903 in Panama, das sich von Kolumbien abspaltete; 1906, 1908 und 1912 auf Kuba; 1911 und 1912 unterstützten sie eine Revolution in Nicaragua; ebenfalls 1911 griffen sie in den Bürgerkrieg in Honduras ein; 1915 auf Santo Domingo; 1914 in Mexiko.

1917 beging das Deutsche Reich einen weiteren Kardinalfehler und forderte damit die amerikanische Kriegserklärung heraus: Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Zimmermann bot Mexiko im Falle eines Kriegseintritts auf der Seite der Mittelmächte als Kompensation Neumexiko, Arizona und Kalifornien. Als der britische Geheimdienst die "Zimmermann-Depesche" veröffentlichte, erklärte Wilson Deutschland den Krieg.

Nach dem ersten Weltkrieg modifizierten die Amerikaner ihre Politik gegenüber den Nachbarn südlich des Rio Grande. Franklin Delano Roosevelt rief die "Politik der guten Nachbarschaft" aus. Nach dem Krieg mußte nicht mehr so viel Rücksicht auf die Befindlichkeiten der guten Nachbarn genommen werden: 1954 unterstützten die USA einen Aufstand gegen die linke Regierung Guatemalas, ohne selber militärisch aktiv zu werden. Das Konzept, Aufständische zu unterstützen, ohne selber als Kombattant aufzutreten, ging allerdings nicht immer auf: 1961 scheiterte der Versuch, Fidel Castro die Macht wieder zu entreißen, in der Schweinebucht kläglich. Reagan entsandte 1983 Truppen nach Grenada und unterstützte die Contras in Nicaragua im Kampf gegen die Sandinistas. In Panama intervenierten die USA dann, um den Drogenhandel zu beenden. Präsident Noriega wurde 1989 von US-Truppen abgesetzt. 1994 rechtfertigte Präsident Clinton den Einsatz des Militärs auf Haiti damit, daß er "Recht und Ordnung wieder herstellen" wollte.

In den 100 Jahren politischer, militärischer und natürlich auch wirtschaftlicher Einflußnahme in Lateinamerika hat sich gezeigt, daß die USA nicht immer zum besten der betroffenen Länder eingegriffen haben, aber auch nicht ausschließlich zur Durchsetzung imperialistischer Ziele.


 
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