© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/98 10. April 1998

 
 
Euro-Klagen: Staatsrechtler Hans Heinrich Rupp zur Abweisung seiner Beschwerde in Karlsruhe
"Das eigene Urteil ignoriert"
von Peter Krause

Abgelehnt wurde vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe neben der Klage der Professoren Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Starbatty auch die Klage des Mainzer Professors Hans Heinrich Rupp. Die junge freiheit sprach mit dem Staatsrechtler über seine politische und juristische Bewertung des Urteils.

 Herr Professor Rupp, laut Bundesverfassungsgericht berührt die Einführung des Euro weder die Eigentumsrechte der Bürger noch verletzt er das Demokratieprinzip, denn die Währungsunion sei Teil des Maastricht-Vertrages, der auf einer verfassungsrechtlichen Grundlage stehe. Wie schätzen Sie das Urteil ein?

RUPP: Die Karlsruher Entscheidung rückt meiner Ansicht nach ab vom Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im "Maastricht-Verfahren" von 1993. Damals hatte das Gericht ausdrücklich gesagt, daß das demokratische Grundrecht des Bürgers in seiner Mitwirkung am Staat besteht, und daß das demokratische Grundrecht des einzelnen Bürgers verletzt wird, wenn aus dem Gehäuse der demokratischen nationalen Staatlichkeit, des Verfassungsstaates, Kompetenzen in vertragswidriger Weise an europäische Organe übergeben werden. Und diese Grundtendenz des Maastricht-Urteils wird im neuen Urteil – und seltsamerweise gerade unter Bezugnahme auf die Maastricht-Entscheidung – ignoriert.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Wolfgang Schäuble, hat im Vorfeld das Bundesverfassungsgericht als ein "beherrschbares Risiko" bezeichnet. Haben Politik und Wirtschaft nun das Recht beherrscht?

RUPP: Das ist ähnlich wie bei der Bundesbank. Auch das Bundesverfassungsgericht wollte die Verantwortung für das Scheitern der europäischen Währungsunion nicht übernehmen. Die Bundesbank hatte eigentlich nur Gründe angeführt, die gegen den Eintritt Deutschlands in die Währungsunion zum 1. 1. 1999 sprechen, sagt dann aber am Ende ihrer Stellungnahme überraschend: der Euro sei stabilitätspolitisch vertretbar. Und nun, kaum ist die Entscheidung für den Euro gefallen, wird die Zustimmung wieder relativiert. Nun fordert der Präsident der Bundesbank plötzlich, Italien und Belgien müßten ihren Schuldenstand in zehn Jahren abbauen.

Welche Bedeutung hat das Karlsruher Urteil über die Währungsunion hinaus?

RUPP: Ich glaube nicht, daß das Urteil hinausgehende Bedeutung hat. Das Bundesverfassungsgericht wollte die Beschwerden möglichst schnell vom Tisch haben und hat deshalb den, wie ich finde, unkorrekten Weg gewählt, die Verfassungsbeschwerden als offensichtlich unbegründet abzuweisen. "Offensichtlich unbegründet" sind sie nun sicher nicht, aber dem Gericht blieb kein anderer Weg, als auf diese Weise mit einer kurzen und falschen Begründung die Sache schnell abzuweisen.

Auf das Demokratieprinzip in Europa wird das Urteil keinen Einfluß haben?

RUPP: Ich glaube nicht. Man sollte das Urteil nicht übermäßig ernst nehmen. Sie müssen bedenken, daß in der Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes das demokratische Grundrecht des Bürgers in sehr ausführlicher Begründung als verfassungsbeschwerderechtliches Grundrecht entwickelt worden ist. Das ist erstmalig geschehen. Es ist festgelegt worden: Der Bürger hat nicht nur Freiheitsrechte im privaten Bereich, sondern als Mitglied des Demos, der demokratischen Gesellschaft, hat er ein eigenes Recht auf Mitwirkung im Staat. Wenn eine Kompetenz vertrags- oder verfassungswidrig aus dem Gehäuse der demokratischen Verfassungsstaatlichkeit gegeben wird, dann ist dieses demokratische Grundrecht verletzt. Dieses ältere eigene Urteil aber wird von der jüngsten Karlsruher Entscheidung ignoriert.

Wie schätzen Sie die Begründung der Beschwerdeablehnung ein?

RUPP: Mich kränkt an der Entscheidung, daß meine Verfassungsbeschwerde abgewiesen worden ist, obwohl mein Antrag einen ganz anderen Inhalt hatte. Das bedeutet, es ist ein Antrag von Karlsruhe zurückgewiesen worden, den ich gar nicht gestellt hatte.

Wie lautete Ihr Antrag?

RUPP: Ich hatte den Antrag gestellt, endlich die Geschichte gebrochener Versprechen zu beenden: Der Bundeskanzler muß reinen Wein einschenken, er muß verpflichtet werden, auch über die Risiken, die in der Währungsunion liegen, umfassend zu informieren. Und darüber ist überhaupt nicht entschieden worden. Ich hatte keineswegs eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, die darauf zielt, die Währungsunion zu verschieben, sondern meine Beschwerde schilderte nur die gesamten politischen Versprechen über den Euro und wie sie nach und nach gebrochen worden sind. Mein Antrag verlangte, daß der Bundeskanzler verpflichtet wird, der deutschen Bevölkerung zu sagen, welche erheblichen Gefahren in der Währungsunion liegen.

Wie ist ein derartiges Ablehnungsverfahren möglich?

RUPP: Das ist ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör, das ja das Bundesverfassungsgericht bei anderen Gerichten immer scharf rügt: daß über einen Antrag entschieden wird, der gar nicht gestellt worden ist. Ich überlege mir, ob ich dagegen nicht etwas unternehmen soll, denn die Karlsruher Ablehnung der Beschwerde bedeutet einen eklatanten Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs.

Aber den eigentlichen Streit um den Euro halten Sie für entschieden?

RUPP: Ja. Es sei denn, es werden noch sehr kritische Fragen im Bundesrat gestellt und die Sache würde so verzögert. Nun müssen wir uns überlegen, was man macht, wenn die Währungsunion beschlossen ist: Was kann man noch tun, um Stabilität und Konvergenz zu erreichen und dauerhaft zu sichern und das ganze System nicht in einem Chaos enden zu lassen? Denn wenn die Währungsunion scheitern sollte, gibt es für Europa keine Chance mehr.


 
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