© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/98 10. April 1998

 
 
Euro: Karlsruhe verwirft die Klagen gegen die Einheitswährung
Jahre der Prüfung
von Dieter Stein

Die Karlsruher Entscheidung ist eine vernichtende Niederlage für die Euro-Gegner in Deutschland". So triumphierte Theo Waigel vergangene Woche nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die vorliegenden Klagen gegen die europäische Einheitswährung als "offensichtlich unbegründet" abzuweisen. Damit ist der Weg für den Euro nun juristisch frei. Die vergangene Woche gegen den Euro eingereichte Klage des Münchner Anwaltes Manfred Brunner hat kaum noch Chancen, zugelassen zu werden.

Gesetzgeberisch wird dem Euro am 23. April im Bundestag in einer Abstimmung der letzte Weg zum Ziel freigemacht. Da es dort außer der PDS keine euro-oppositionelle Partei gibt, schon gar nicht eine qualifizierte Mehrheit dagegen, ist die Sache entschieden. Im Bundesrat wird nach dem Einlenken des Bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber außer Kurt Biedenkopf niemand dagegenstimmen. Ende der Durchsage.

Der Euro kommt nun, wie Banken und Bundesregierung bereits seit Monaten eindringlich androhen. Nun müssen sich wohl oder übel auch Euro-Gegner auf Euro-Realitäten einstellen.

Edmund Stoiber beteuerte, er habe sich die Entscheidung "nicht einfach gemacht". Der bayerische Löwe landete als Papiertiger in Bonn. Er scheute zuletzt den politischen Eklat, der in einer Spaltung seiner Partei hätte enden können. Der Fall Stoiber zeigt, daß die CSU keine eigenständige Partei mehr ist und Kohl diesen faktischen bayerischen Landesverband der Union fest im Griff hat.

Die Kläger gegen den Euro geben sich desillusioniert. Im Gespräch mit der jungen freiheit erklärte der Staatsrechtler Hans-Heinrich Rupp, der neben vier anderen Wissenschaftlern in Karlsruhe mit einer eigenen Klage vertreten war, das Bundesverfassungsgericht wolle die Verantwortung für das Scheitern der europäischen Währungsunion nicht übernehmen und habe sie klar Regierung und Parlament zugeordnet (das ausführliche Gespräch mit Professor Rupp auf Seite 6).

Manfred Brunner, der 1993 erfolgreich in Karlsruhe das erste Urteil gegen den Maastricht-Vertrag erstritten hatte, erklärte gegenüber der JF auf die Frage, ob der Euro denn noch politisch aufzuhalten sei, nachdem er juristisch nicht mehr zu stoppen ist: "Deutschland könnte nach einem entsprechenden Ergebnis der Bundestagswahl die Einführung des Euros ablehnen." Ein solches einseitiges ’Nein’ habe vor einigen Wochen schon Schweden vorgemacht.

Eurokritiker wie Rupp und Brunner erwarten, daß der Euro maximal zwei, drei Jahre funktionieren wird, dann aber die unterschiedlichen währungspolitischen Bedürfnisse der Mitgliedsstaaten unüberbrückbar werden und eine Rückkehr zu nationalen Währungen zwingend wird. Der Euro wird von den Klägern als eine "im Ansatz verfehlte Europapolitik" (Brunner) gesehen, die Spiegelbild einer bürgerfernen Innenpolitik und Mißachtung des Volkswillens ist. Rolf Schlierer von den ebenfalls klagenden Republikanern geht anstelle des zum Scheitern verurteilten Euro von der mittelfristigen Herausbildung größerer Währungsräume der D-Mark, des Pfunds und des Francs aus, denen jeweils mehrere Staaten angehören.

Pessimistisch betrachtet kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes als Einwilligung in die Auflösung des demokratischen Nationalstaates Deutschland angesehen werden. Entscheidende Hürden zur "irreversiblen" Einbindung Deutschlands in den Brüsseler Superstaat wären damit beseitigt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich jedoch für den Fall einer krisenhaften und negativen Entwicklung der Währungsunion eine neue Entscheidung vorbehalten. Und der individuelle Klageweg bleibt auch weiterhin offen.

Dennoch müssen sich Euro-Gegner – und diese Zeitung zählt sich dazu – überlegen, wie deutsche Politik auszusehen hat nach der Einführung der Risikowährung. Die Politik geht weiter, und es wird entscheidend um den deutschen Beitrag zu einer Politik im europäischen Währungsraum gehen. Diese hat den eigenen Interessen zu dienen. Eine weitere Schwächung Deutschlands kommt hierbei nicht in Frage. Die Einführung des Euro ist nun aber dazu der erste Schritt, denn er amputiert einen der größten Trümpfe dieses Landes. Die Bundesbank und ihre unabhängige Währungspolitik war zentrales Stück deutscher Souveränität, die nun beerdigt werden soll.

Daß mit dem Euro die "Vorherrschaft des Dollars" (EU-Außenwirtschaftskommissar Leon Brittan) zu Ende geht, ist zu bezweifeln. Zwar wird der Euro in den USA durchaus ernst genommen, doch daß ins Leben gerufen wurde, damit der "US-Dollar-Imperialismus" (laut Spiegel ein EU-Kommissionsmitglied) ein Ende nimmt, ist eine rührende Vorstellung. Hierzu fehlt der EU der nach außen gerichtete kämpferische Wille. Und der Euro ist in erster Linie nach innen gerichtet (Einbindung Deutschlands, Einebnung des Lohngefälles, totale Öffnung der Märkte, Ausschaltung nationaler Währungspolitik) und weniger nach außen. Hierzu fehlt dem EU-Europa eine klare Feindbestimmung gegen den Dollar- und Yen-Raum. Der Euro wird dafür die konkurrierenden nationalen Interessen in Europa in unerfreulicher Weise noch steigern – das Gegenteil des Gewünschten. Lachender Dritter wären dann vor allem die USA.


 
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