© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   15/98 03. April 1998

 
 
Euro: Prinzip Hoffnung
von Arnulf Schreiber

Eine gemeinsame Währung der Staaten Europas ist ein erstrebenswertes Ziel. Eine Währungsunion ist aber nur möglich als Teil einer politischen Union. Denn eine Währungsunion erfordert nicht nur eine hohe örtliche und berufliche Mobilität der Arbeitskräfte sowie eine flexible und in der Höhe ausreichend differenzierte Lohnstruktur, sondern vor allem eine einheitliche Haushalts-, Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik.Von dieser Erkenntnis geht auch die schon seit Jahrzehnten in der Debatte um die Währungsunion vertretene „Krönungstheorie" aus: eine gemeinsame Währung ist kein Mittel zur Förderung der europäischen Integration, sondern ihre Krönung.

Diese richtige Reihenfolge wurde im Maastricht-Vertrag auf Verlangen Frankreichs aufgegeben; denn die D-Mark ist die europäische Leitwährung, und die Notenbanken der anderen europäischen Staaten außer England müssen weitgehend der Stabilitätspolitik der Bundesbank folgen. Um diese „Dikatur" zu beenden, hat Mitterand von Bundeskanzler Kohl als Preis für die Zustimmung Frankreichs zur deutschen Wiedervereinigung die Währungsunion verlangt. „Maastricht, das ist Versailles ohne Krieg", schrieb die französische Zeitung Le Figaro, und der langjährige Präsident der EG-Kommission Delors gab kürzlich zu: „Ich habe immer für die Abschaffung der D-Mark gekämpft; sie ist das letzte Machtmittel der Deutschen."

In der jetzt vorgesehenenWährungsunion bleiben die Mitgliedstaaten in ihrer Haushalts-, Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik selbständig. Aufgrund der Erkenntnis, daß eine Währungsunion die dauerhafte Kongruenz der Haushalts- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten erfordert, wurden entsprechende Bestimmungen in den Maastricht-Vertrag aufgenommen und unter Druck Deutschlands ergänzende Vereinbarungen getroffen; die Teilnahme an der Währungsunion wurde von der Erfüllung bestimmter Konvergenzkriterien abhängig gemacht. Ob diese Regelung zur Sicherung einer dauerhaften Kongruenz ausreichen, ist heftig umstritten. Schlimmer ist, daß die Aufnahmekriterien ungenügend sind, denn sie verlangen die Erfüllung der Kriterien nur für kurze Zeit und sind bei den wichtigen Kriterien Haushaltsdefizit und öffentlicher Schuldenstand so flexibel, daß die Erfüllung schon durch einmalige Haushaltsmaßnahmen möglich ist. Beim Kriterium öffentlicher Schuldenstand besteht ein praktisch unbegrenzter politischer Beurteilungsspielraum. Die Berufung auf die angebliche Erfüllung solcher Kriterien dient nur der Irreführung der Öffentlichkeit. Die Erfüllung der Konvergenzkriterien ist kein ausreichender Nachweis, daß die nach dem EG-Vertrag erforderliche dauerhafte Kongruenz der Haushalts- und Wirtschaftspolitik gewährleistet ist.

Unstreitig sind in einigen Staaten durch an sich zulässige einmalige Maßnahmen die Daten beeinflußt worden. Inwieweit noch zusätzlich eine unzulässige „kreative Buchführung" durchgeführt worden ist, mag offenbleiben. Insbesondere Deutschland, Frankreich und die südeuropäischen Staaten haben die Erfüllung der Kriterien meist erst 1997 mit sehr großen Anstrengungen, teilweise mittels einmaliger Maßnahmen erreicht. Alle diese Länder müssen künftig nicht nur die Einschränkungen beibehalten, sondern erhebliche zusätzliche Einschränkungen in ihren Haushalten vornehmen. Ob diese Länder dazu bereit sein werden, ist ungewiß. Anlaß zu Zweifeln gibt der erhebliche Widerstand gegen den Stabilitätspakt und die ablehnende Reaktion auf den Vorschlag von Finanzminister Waigel, die Teilnehmerstaaten sollten bereits jetzt zusätzliche Einnahmen zum Abbau der Staatsschulden verwenden.

Eine dauerhafte Kongruenz in der Hauhalts- und Wirtschaftspolitik aber ist ein wichtiger Faktor für eine Währungsunion. Die weiteren wichtigen Faktoren dauerhafter Kongruenz – Steuer- und Sozialpolitik, hohe örtliche und berufliche Mobilität der Arbeitskräfte sowie flexible Lohnstruktur und Konsens in wichtigen Wertvorstellungen – sind gegenwärtig nur ungenügend gegeben. Ferner bestehen zwischen den künftigen Teilnehmerstaaten starkeUnterschiede in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Unter solchen Umständen bleibt die Währungsunion ein Unternehmen mit hohen politischen und wirtschaftlichen Risiken. Die Aussagen der Bundesregierung zur Stabilität des Euro und zur künftigen wirtschaftlichen Entwicklung sind allein vom Prinzip Hoffnung bestimmt.


 
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