© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/98 20. März 1998

 
 
Erklärung: Bund der Steuerzahler zur Einführung des Euro
Das Mißtrauen sitzt tief
von Konrad Kranz

 Mit einer "ungeschminkten Analyse" der Euro-Kriterien hat der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, für Aufregung in Bonn gesorgt. Er begründete die Stellungnahme mit den Sorgen der Bevölkerung: "Die Schlacht – so sehen es die Politiker spätestens seit der Veröffentlichung der Zahlen des Statistischen Bundesamtes – ist schließlich geschlagen, der Euro ist nicht mehr aufzuhalten. Ich denke, daß wir es uns so einfach nicht machen können".

Däke verwies darauf, daß eine Mehrheit der Bevölkerung den Euro ablehne. "Das Mißtrauen sitzt tief." Daür gebe es zahlreiche Gründe. "Ein wesentlicher ist nach meiner Überzeugung der, daß weder die Bundesregierung noch andere europäische Staaten mit offenen Karten spielen", sagte Däke. Vielmehr seien Verschleierungstaktiken an der Tagesordnung.

Der Präsident des Steuerzahlerbundes ging auf die Konvergenz ein: Unterziehe man die bisher vorliegenden Daten einer näheren Überprüfung, dann ergebe sich "ein Bild, das Anlaß zu großer Sorge gibt. Die Überprüfung der Daten zeigt nämlich, daß man mit zahlreichen Tricks arbeitet, Schönfärberei betreibt und wesentliche Erfordernisse großzügig übergeht. Es besteht der begründete Verdacht, daß das ehrgeizige Projekt Währungsunion auf Biegen und Brechen unbedingt noch in diesem Jahrhundert durchgesetzt werden soll und hierbei der Zweck die Mittel heiligt".

 Prüfverfahren droht zur "Politshow" zu werden

 

 Däke nannte deshalb viele Gründe, weshalb das im April und Mai stattfindende Prüfverfahren nur "ein Ritual beziehungsweise eine Politshow zu werden droht". Das Ergebnis scheine längst festzustehen: Elf Mitgliedsländer nähmen 1999 an der Währungsunion teil. Däke sieht darin einen Widerspruch zu der Erfordernis, daß nur diejenigen Länder teilnehmen dürften, die die Konvergenzkriterien dauerhaft erfüllen. Däke erläuterte, daß die Defizit- und Schuldenstandsgrenze besonders wichtig für einen stabilen Euro seien. "Öffentliche Haushaltsdiziplin soll nämlich verhindern, daß die Europäische Zentralbank infolge einer unsoliden Haushaltspolitik der Teilnehmerländer unter Druck gerät und von einer stabilitätskonformen Geldpolitik abgehalten wird."

Däke verwies darauf, daß Teilnehmerländer mit hohen Schuldenstandsquoten infolge ihrer hohen Zinsbelastungen besondere Schwierigkeiten hätten, die Defizitgrenze auf Dauer einzuhalten. "Für sie bestünde verstärkter Anlaß, die Europäische Zentralbank zu einer weichen Geldpolitik zu drängen. Dies umso mehr, als durch die inflationäre Entwertung von Schulden die Etatschwierigkeiten zusätzlich gemindert werden können. Trotz diesem engen Zusammenhang zwischen den beiden Fiskalkriterien droht vor allem das Schuldenstandskriterium ‘großzügig’ ausgelegt und in unzulässiger Weise aufgeweicht zu werden."

Fatal findet der Präsident des Steuerzahlerbundes, "daß gerade auch die Bundesrepublik im Hinblick auf die Konvergenzkriterien verschiedene Tricks anwendet. Den Erfordernissen einer dauerhaften Solidität der öffentlichen Haushalte trägt sie bisher nicht Rechnung". Die Senkung des Finanzierungsdefizits auf 2,7 Prozent sei nur dadurch möglich geworden, daß "die öffentliche Hand zur momentanen Entlastung Ausgaben in die Zukunft verschoben, künftige Einnahmen vorgezogen, somit gleichsam verfrühstückt sowie Wirtschaftstätigkeiten formal privatisiert und damit Defizite teilweise in Schattenhaushalte verlagert hat".

Däke nannte Beispiele: Arbeitnehmer-Sparzulage und Wohnungsbauprämie seien 1994 beziehungsweise 1996 auf sogenannte nachschüssige Zahlung umgestellt worden. "Dies führt dazu, daß die Haushalte über sieben Jahre hinweg um die betreffenden Ausgaben entlastet werden und die dann allerdings kulmilierten Beiträge im wesentlichen erst vom Jahr 2001 an mit jährlich rund 3 Milliarden DM kassenwirksam werden. Ausgaben für öffentliche Infrastruktureinrichtungen werden zudem durch Leasingmodelle in wachsendem Umfang in die Zukunft verlagert." Der momentanen Haushaltsentlastung ständen in solchen Fällen zusätzliche Belastungen in künftigen Jahren entgegen. "Nicht zuletzt werden Ausgaben und Schulden seit Jahren aus den Kommunalhaushalten verlagert, indem Aufgaben auf formal privatisierte, faktisch aber nach wie vor kommunale Betriebe übertragen werden." Laut Angaben des Deutschen Städtetages wäre so etwa ein Prozent des gesamten kommunalen Haushaltsvolumens ausgegliedert worden. "Das damit gleichzeitg ausgegliederte Defizitvolumen wird offiziell nicht erfaßt, dürfte aber einen noch weit höheren Anteil am kommunalen Gesamtdefizit ausmachen." Auch durch vorgezogene oder einmalige Einnahmen sei das staatliche Defizit gemindert worden: "So konnte der Bund 1997 sein Defizit um 1,4 Milliarden Mark verringern, indem er sich von der Luftfahrtindustrie Entwicklungskostenzuschüsse um Zinsabschläge vermindert vorzeitig zurückzahlen ließ.

 Vorgezogene Einnahmen schönen die Bilanz

 

 Da diese Rückzahlungen für später vorgesehen waren, kommt es künftig zu entsprechenden Mindereinnahmen. Entlastet wurde der Bund und damit das gesamtstaatliche Defizit 1997 zudem durch außergewöhnliche Einnahmen beim Erblastentilgungsfonds, weil dieser Zahlungseingänge auf bereits abgeschriebene Forderungen ostdeutscher Banken vereinnahmen konnte. Desweiteren hat der Bund 1997 Forderungen von 1,3 Milliarden DM, die erst künftig fällig werden, an Banken verkauft, um durch den Zufluß des Verkaufserlöses in 1998 das Defizit des laufenden Haushalts zu mindern." Auch diese vorgezogenen Einnahmen würden später fehlen.

"Außerordentliche Einnahmen von rund 8 Millliarden DM haben sich Bund, Länder und Gemeinden 1997 zudem durch den Verkauf von Grundstücken verschafft." Karl Heinz Däke gab auch zu bedenken, "daß der Staat bei der Defizitbegrenzung gewaltig von den weltweit gesunkenen Kapitalmarktzinsen profitiert"; infolge dieser Zinssenkung auf einen historischen Tiefstand liege die Durchschnittsverzinsung der deutschen Staatsverschuldung 1997 um 1,4 Prozentpunkte niedriger als 1995. Dadurch reduzierten sich die staatlichen Zinsausgaben und gleichzeitig das Finanzierungsdefizit um 28 Milliarden DM.

Däke zeigte, daß für die Zukunft keine ausreichende Vorsorge dafür getroffen sei, daß das Defizit in Richtung auf den nach dem Stabilitätspakt erforderlichen Haushaltsausgleich zurückgeführt werde: "Einen besonders stark ins Gewicht fallenden Belastungsfaktor stellen die heute bereits immens hohen und rapide wachsenden Versorgungsansprüche des öffentlichen Dienstes dar. Das Gesamtvolumen der bis jetzt aufgelaufenen Versorgungsansprüche der Beamten und Zusatzversorgungsansprüche der öffentlich bediensteten Arbeiter und Angestellten wird derzeit auf mindestens 750 Milliarden DM veranschlagt. Wird diese Schattenverschuldung zur Staatsschuld im engen Sinn hinzugerechnet, so summiert sich die staatliche Gesamtverschuldung auf rund 3 Billionen DM." Da der Barwert der Versorgungsansprüche jährlich noch um rund 35 Milliarden DM ansteige, sei auch das gesamtstaatliche Defizit nach oben zu korrigieren: die offiziell ausgewiesene Defizitquote wäre demnach um etwa einen Prozent zu erhöhen.

"Bei Eliminierung der trickreichen zeitlichen Ausgaben und Einnahmenverschiebung" errechne sich für 1997 eine bereinigte Defizitquote von mindestens 5 Prozent. "Die deutsche Schuldenstandsquote erhöht sich bei Einbeziehung der Schattenverschuldung auf über 83 Prozent." Karl Heinz Däke zog das Fazit: Eine nüchterne und ungeschminkte Bilanz zeige, daß von einer nachhaltigen Erfüllung der Maastrichter Defizitquote von 3 Prozent und der Schuldenstandsquote von 60 Prozent keine Rede sein könne.Da auch in anderen EU-Ländern die "Euro-Reife" aufgrund bedenklicher Berechnungen zustandegekommen wäre, spreche eine Analyse der Konvergenzlage "eindeutig dafür, die Einführung des Euro befristet aufzuschieben.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen