© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/98 20. März 1998

 
 
Regionalwahlen: Satte rechte Gewinne auf Kosten der Etablierten im Elsaß und in Lothringne
Der FN und die RPR-Renengaten
von Robert Schwarz

Besonders hoch fielen die Gewinne des Front National (FN) bei den französischen Regionalwahlen am vergangenen Sonntag im Unter- und Oberelsaß aus, wo die Partei unter Führung von Yvan Blot und Gérard Freulet ins Rennen ging. Statt bisher neun stellt der FN nunmehr 13 der 47 Regionalräte.

Noch mehr als in anderen Gebieten gab es in diesem Grenzland einen deutlichen Trend weg von den etablierten Parteien. Im Elsaß konnte neben dem Front National auch die regionalistische Liste "Alsace d’abord" (Elsaß zuerst) von Robert Spieler kräftig punkten, wenngleich das angestrebte zweistellige Ergebnis ausblieb. Immerhin wird diese rechte Liste künftig im Straßburger Regionalrat von drei statt bislang zwei Vertretern repräsentiert. Eine weitere Wahlbesonderheit, die schon 1992 ansatzweise beobacht werden konnte, hat landesweite Ausmaße erreicht: Nicht nur im Elsaß, sondern überall, wo sie antraten, überwanden reine Frauenlisten mühelos die 5-Prozent-Hürde.

Noch viel verworrener als im Elsaß ist die parteipolitische Landschaft auf Regionalebene in Lothringen. Dort ist die bürgerliche Rechte, die rechnerisch über eine relative Mehrheit von 34 der 73 Sitze verfügt, programmatisch regelrecht explodiert und hat ihre Akzente deutlich nach rechts verlagert. Im Departement Meurthe-et-Moselle erreichte der ehemalige gaullistische Minister François Guillaume, der die gleiche Sprache wie der Front National spricht und wegen Streitigkeiten mit dem RPR vor der Wahl aus der Partei ausgeschlossen worden war, mit drei von 20 Mandaten mehr als nur einen Achtungserfolg. Guillaume werden nun erst recht Ambitionen auf das regionale Präsidentenamt nachgesagt.

Im ostlothringischen Moseldepartement gab es sogar vier konkurrierende bürgerliche Listen. "Moselle Debout", eine Formation, die bereits im letzten Regionalrat vertreten war und von dem Ex-RPR-Abgeordneten Kiffer geführt wird, hat schon in der Vergangenheit partiell mit dem FN zusammengearbeitet. Auch Jean-Louis Masson, ein weiterer ausgeschlossener Gaullist, der 1997 sein Abgeordnetenmandat in Paris nur dank der Unterstützung durch den Front National verteidigen konnte, stellte sich mit einer eigenen Liste dem Votum. Diese Konstellation ermunterte den lothringischen FN-Chef und engen Vertrauten Bruno Mégrets, Jean-Claude Bardet, den bürgerlichen Dissidenten eine Allianz gegen die offiziellen RPR-UDF-Listen vorzuschlagen.

Bardet kann nun die von zehn auf 13 Mandate erhöhte Präsenz seiner Partei in die Waagschale werfen, womit jetzt in der Theorie 20 Regionalräte der FN und der bürgerlichen Dissidenten 15 Gaullisten und Rechtsliberalen gegenüberstehen. Gelänge es Bardet außerdem, den Metzer Bürgermeister Rausch und dessen Parteigänger mit ins Boot zu nehmen, bliebe die bisherige regionale Mehrheit unter Gérard Longuet diesmal außen vor. Eine solche Entwicklung ist keineswegs unrealistisch, zumal der Zentrist Rausch mit Longuet noch eine Rechnung offen hat. Als er nämlich 1992 wahrscheinlich mit Stimmen des FN als Regionalratspräsident gewählt worden war, veranlaßte Longuet unter Hinweis auf die verpönte Zustimmung die Pariser Parteiführung, Rausch zum Rücktritt zu zwingen.

Im lothringischen Regionalrat wird in Zukunft ferner eine politische Exotin Platz nehmen, die deshalb erwähnenswert ist, weil dieses parteipolitische Phänomen seit der Wahl vom Sonntag im ganzen Land zu beobachten ist. Christiane Nimsgern gehört der trotzkistischen Partei "Lutte Ouvrière" (Arbeiterkampf) an. Die durch diese LO sowie die "Ligue communiste révolutionaire" (LCR) vertretene extreme Linke erzielte landesweit 4,37% und stellt damit erstmals 27 Regionalräte. Offenbar profitierte man von der auffallend mangelhaften Präsenz der etablierten Kommunistischen Partei im Wahlkampf.

Angesichts der eindeutigen Dominanz der Rechtsparteien im neuen lothringischen Regionalrat sind die Erfolge der Linksextremen allerdings nicht mehr als eine Randnotiz.


 
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