© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   12/98 13. März 1998

 
 
"Rechtsrock": Streifzug durch die Musik der neuen Bürgerschrecks
Sturmwehr statt Sex Pistols
von Tilman Berger

Pop, Punk, oder Rap – nichts ist unmöglich. Musik war schon immer Träger jugendlichen Protestes und auch politisch geprägter Subkultur.

Doch wer provoziert heute noch mit den "Ärzten", "Toten Hosen" und ähnlichen Altrockern. Rio Reiser ist tot, ebenso wie seine Hausbesetzerromantik. Wer heute tatsächlich Tabus brechen und Bürger erschrecken will, greift zu anderen Äußerungsformen. Die Rede ist vom sogenannten "Rechtsrock", nach dem man, ähnlich wie früher nach Punk, in allen Plattenladen vergeblich Ausschau halten muß. Dabei gibt es etwa seit Beginn der 90er Jahre eine enorme Nachfrage nach dieser Musik. Beispiel "Böhse Onkelz": sie avancierten vor allem aufgrund der Tatsache, vor vielen Jahren Platten mit einigen anstößigen, "rechten" Texten veröffentlicht zu ha-ben, zur Kultband und zum Verkaufserfolg.

Hauptakteure der bestehenden Skinhead-Szene wie Torsten Lemmer, der sich damals als PR-Mann für eine Abspaltung von den Republikanern ("Freie Wählergemeinschaft") im Düsseldorfer Stadtrat und als Manager der Band "Störkraft" betätigte, versuchten, das große Interesse Szenefremder zu nutzen und zu steigern. Durch geschicktes Ausnutzen der Sensationsgier der Medien schaffte er es, "Störkraft" bzw. den Rechtsrock allgemein schlagartig ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu bringen. Das fünfseitige Spiegel -Interview und die Auftritte bei den Krawall-Shows "Explosiv" und "Einspruch" erwiesen sich jedoch schnell als Bumerang, denn Öffentlichkeit und Staat waren gerade in Zeiten feiger Brandanschläge nicht gewillt, dem Treiben der Szene tatenlos zuzuschauen. So kam es ab 1992 zu zahlreichen Indizierungen und Strafverfahren, weil es manche Band nicht bei drastischer Kritik beließ, sondern offen zu Gewalt und Selbstjustiz aufrief. Damit war die Skinhead-Szene an einem Wendepunkt angekommen, denn die intensive Beobachtung des Verfassungsschutzes machte ungesetzliche Äußerungen fortan unmöglich.

Der Großteil der Bands und Fanzinemacher stellte deshalb seine Aktivität endgültig ein. Mit den Modernen Zeiten, einem Projekt von Lemmer und Andreas Zehnsdorf, begann im April 1993 ein neues Kapitel Rechtsrock-Geschichte. Zehnsdorf hatte von 1987 bis 1991 maßgeblich am rechtsextremen Querschläger mitgearbeitet, einem Heft, mit dem die später verbotene FAP in Skinheadkreisen Fuß zu fassen versuchte. Die MZ sollten als "breitgestreute, bundesweite Szene-Zeitung" eine "nationale Gegenkultur von Rechts etablieren" wie es im Vorwort zur ersten Ausgabe hieß, schafften es jedoch nie über einige Seiten Butterbrotpapier
hinaus.

Das hauseigene Label "Funny-Sounds" begann, CDs mit neuen Bands zu veröffentlichen. Die Produktionen, von Rechtsanwälten geprüft, waren allesamt legal, den Boykott der Plattenläden umging man per Versandhandel. Die Rechtsrock-Szene hatte eine Art Neuanfang geschafft. Skinheads waren bei der neuen Fangemeinde in der Unterzahl.

Die erste RockNord -Ausgabe im Mai 1996 kennzeichnete mit Klammerheftung, Zeitschriften-Format, farbigem Titel und professionellem Layout eine neue Qualitätsstufe, die bis heute durchgehalten wurde. Seit diesem Jahr erscheint das RockNord monatlich mit etwa 28 redaktionellen Seiten. Die CD-Veröffentlichungen werden qualitativ immer besser und zahlreicher, was der Musikzeitschrift natürlich Aufwind gibt.

Der Neuling sei jedoch gewarnt: Ihn erwarten größtenteils rauhe Rechtsrock-Stampfer mit stets ähnlichen Texten über Ehre, Stolz und Treue; über Odin und Thor, die Helden der germanischen Mythologie; über das Soldatentum und die Wikinger und nicht zuletzt über den Alkohol und die Möglichkeiten seines Mißbrauchs. Eine Gruppe wie "Nordwind", die in ihren Texten wie ihr schwedisches Vorbild "Ultima Thule" (mit mehreren CDs in den dortigen Top 10) die Politik außen vor läßt, ist bislang die Ausnahme. Jüngste Produktionen wie die der australisch-walisischen Formation "Raven’s Wing" entsprechen allerdings ebenfalls nicht mehr der typischen Rechtsrock-CD.

Da die Düsseldorfer die gesetzlichen Standards in Deutschland einhalten, kann man sie nicht einfach mit gerne von den Medien präsentierten Labels wie NS Records, das aus Dänemark den harten Kern mit CDs voller Hakenkreuze und entsprechenden Texten zu beliefern versucht, in einen Topf werfen. Genau das versuchen jedoch einige Politiker und Teile der Medien.

Schon bald nach dem Aufkommen der Punk-Musik war es selbstverständlich, daß die Jugendlichen ihre Musik in Jugendhäusern hören konnten und die Städte durch Räume und Zuschüsse bei der Organisation von Konzerten halfen. Wenn es nach solchen Konzerten zu Gewaltorgien kam, waren dies für die rot-grünen Fürsprecher der linken Jugendkultur "Einzelfälle".

Stets betonte man, wie wichtig es für eine Demokratie sei, daß Jugendliche ungehindert ihre Gefühle ausdrücken können. Die Rechtslage interpretierte man großzügig. Es ging um "Bonzenschweine", die "Fascho-Polizei" oder den "Atomstaat". (Würde eine Rechtsrock-Band von "Türkenschweinen" singen, folgten zu Recht sofort Hausdurchsuchung, Indizierung und Gerichtsverfahren). Beispiel "Normahl": "Haut die Bullen platt wie Stullen, haut ihnen ins Gesicht, bis daß der Schädel bricht", heißt es in einem Lied, in einem anderen wird zur Unterstützung der RAF aufgerufen. Die Platte ist bis heute problemlos zu bekommen, die Musiker, die sich von diesen Liedern nie distanziert haben, wurden vor einigen Jahren zu regionalen Medienlieblingen, da sie ein Anti-Rassismus-Projekt initiiert hatten. Auch Rap-Titel mit Gewaltaufruf wie Ice T’s "Cop Killer" werden bis heute im Radio gespielt.

Die Wut der Rechtsrock-Szene über eine derart krasse Ungleichbehandlung erscheint so in einem anderen Licht. "Wir werden immer die Verbrecher sein, egal was wir machen", hieß es sinngemäß einmal in den MZ, und leider kann man dies nicht nur als billige Ausrede abtun.

Die Rechtsrocker reagieren auf ihre Weise. Man hält sich zwar nach wie vor an das Gesetz, betreibt aber nur zu gerne die Provokation auf dem Umweg. Als Stichtag für eine Abo-Aktion wählt man da den 20. April (Hitlers Geburtstag), die Bands grüßen auf ihren Platten permanent in Deutschland verbotene Gruppen, und die Zahl 88, die für die ersten Buchstaben (HH) einer Grußformel aus unguten Zeiten steht, findet sich überall im Heft, auf T-Shirts und Plattencovern.

Daß Derartiges wiederum eifrig vom Verfassungsschutz notiert wird, ist klar. Ebenso, daß der Normalbürger sich in seinem Urteil bestätigt sieht. Alle Alt-68er in verantwortlichen Positionen sollten sich aber einmal ernsthaft fragen, ob die heutige Rechtsrock-Szene nicht einfach mit ihren Mitteln nachspielt, was die Linke vor 25 Jahren begann: den gezielten Tabubruch, die Provokation und Lächerlichmachung des Establishments.

Tilman Berger

Bezugsadresse: "RockNord", Postfach
10 30 35, 40021 Düsseldorf. Das Magazin kostet sechs Mark.


 
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