© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/98 06. März 1998

 
 
Präsidentschaftswahl: Grüne und Liberales Forum buhlen um die selben Wähler
Heide Schmidt unter Zugzwang
von Jürgen Hatzenbichler

Freude bei den Grünen: Endlich eine "eigene" Kandidatin für die Bundespräsidentschaftswahlen. Die evangelische Superintendentin Gertraud Knoll will nun doch antreten. Die Grünen sind eine Sorge los. Denn während Einzelgänger Martin Wabl, der Bundespräsident werden will, blockiert wurde und sich unbegeistert zeigte, springt man auf den Knoll-Zug sehr fix auf.

Die Burgenländerin ist nach dem Geschmack der grünen Genossen. Gegenüber der Tageszeitung Die Presse bestätigte der Grünen Terezija Stoisits, daß man schon im Herbst bei edr Suche nach einem gemeinsamen rot-grün-liberalen Kandidaten an die Superintendentin gedacht habe. Doch Knoll hatte abgewunken. So knapp nach der Geburt ihres dritten Kindes wäre ihr ein langer Wahlkampf nicht möglich gewesen. Jetzt aber ist sie bereit anzutreten. Der Entschluß wurde dankbar aufgenommen, denn jetzt gibt es eine Kandidatin, die viele Linke und Liberale ansprechen kann und trotzdem nicht Heide Schmidt heißt.

Getraud Knoll ist in dem politischen Spektrum wohlbekannt, nicht nur wegen ihres Engagements bei SOS-Mitmensch. Von 1977 bis 1982 studierte sie Theologie in Wien. Zuerst als Universitätsassistentin tätig, übernahm sie dann ein Vikariat im Burgenland. 1985 wurde sie vom Pfarrgemeinderat zur Pfarrerin von Weppersdorf gewählt. 1994 wurde sie Superintendentin und Obfrau von 35.000 Protestanten im Burgenland.

Knoll ist als Kandidat wesentlich attraktiver als Martin Wabl, Bruder des grünen Nationalratsabgeordneten Andreas Wabl. Bruder Andreas wurde daran erinnert, daß man am Bundeskongreß beschlossen hatte, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen. Grünen-Obmann Alexander van der Bellen mahnte: "Es gibt keine Teilnahme der Grünen an dieser Wahl (…) Er kann also nicht Kandidat der Grünen sein. Er ist halt ein Grüner, der kandidiert." Noch im Januar hatte Van der Bellen allerdings bedauert, daß man keinen Kandidaten habe, denn mit einem Wahlantritt hätte man "ein mediales Fenster" aufmachen und "auch Inhalte vertreten" können. Das wird jetzt wohl Gertraud Knoll für die Grünen machen, auch wenn sie keine Parteikandidatin ist.

Frau Stoisits gegenüber der Presse begeistert: Die Kandidatin könne sowohl mit ihrer Unterstützungsunterschrift als auch der mehrerer anderer Grüner rechnen. Plötzlich geht also, was beim Grünen Wabl so schwerfällt. Die Grünen wissen eben, daß ihre Inhalte dort gut repräsentiert sein werden. Außerdem findet man so mit dem linken SPÖ-Flügel zusammen, dem Thomas Klestil als SPÖ-ÖVP-FPÖ-Einheitskandidat unsympathisch ist. Denn auch manche Sozialdemokraten vermeldeten, daß Knoll Unterstützung finde. SPÖ-Gesundheitssprecher Walter Guggenber will für sie ebenso unterschreiben wie der Abgeordnete Karl Müller. Damit dürfte für Knolls Kandidatur eine wesentliche Hürde gefallen sein: mit fünf Abgeordneten-Unterschriften erspart man sich das lästige Sammeln von Unterstützungsunterschriften.

Die Burgenländerin fischt auch ganz wesentlich im Gewässer der Liberalen. Haider-Stellvertreterin Susanne Passer-Riess jedenfalls läßt ausrichten: "Viel Vergnügen, wie auch allen anderen." Die Kandidatur von Knoll sei ein "herber Tiefschlag für Heide Schmidt", meint die freiheitliche Frontfrau.

Beim Liberalen Forum (LiF) ist man ohnehin nicht bester Stimmung. Immerhin konnte man unlängst den fünften Geburtstag der eigenen Partei feiern, aber zufrieden darf man nicht sein. LiF und FPÖ haben ein Strukturmerkmal gemeinsam: Die Liberalen sind auf ihre Obfrau übermäßig fixiert, die Freiheitlichen auf ihren Obmann. Die große Schwäche der Liberalen ist aber, daß sie in den Bundesländern kaum verankert sind. In Niederösterreich, wo man seinerzeit bei den Landtagswahlen einen veritablen Erfolg einfahren konnte, hat sich der LiF-Landtagsklub vollkommen in alle Winde zerstreut. Bei der kommenden Landtagswahl will man mit einer liberalen Nobody-Truppe antreten. Auch inhaltlich ist es ziemlich in der Ecke. Man bevorzugt die akademische Diskussion. Diese kommt beim gemeinen Wählervolk kaum an. Heide Schmidt: "Ich habe eine zu ausgeprägte Abneigung gegen Aktionismus, obwohl er dazu dient, viele Dinge deutlicher zu machen." Sie sei aber bereit, sich von ihren Parteikollegen stärker überzeugen zu lassen. Auch bei der Themenauswahl? Immerhin hat das LiF den Ruf, daß es mit besonderer Vorliebe Randgruppenthemen exzessiv auswalzt. Kritik daran erlaubt Heide Schmidt nicht. Das hat einige bürgerliche Liberale verscheucht.

Von der Kandidatur Heide Schmidts erwartet man auch beim Liberalen Forum keinen Sieg. Man setzt auf die Wahlkampfmoblisierung und hofft, daß das der Partei zugute kommt. Wenn nur Heide Schmidt gegen Thomas Klestil angetreten wäre, wäre man tief in die grünen Wählerreihen eingedrungen und hätte auch jene SPÖ-Wähler gewinnen können, die gegen Volksfrontpräsidenten Klestil sind. Auch bei der FPÖ hätte man noch einige Liberale abstauben können. Gerade das besondere Verhältnis, das Klestil in letzter Zeit zu Haider entwickelt hat, hätte der Liberalen-Obfrau viele Stimmen zugetrieben. Diese Wähler muß sie sich jetzt aber wohl mit Knoll teilen. Und schon vorher hatte Schmidt, laut Meinungsumfragen, nicht jenes Ergebnis erreicht, das sie als FP-Präsidentschaftskandidatin eingefahren hatte.

Wie dankbar sind da die Grünen, daß sie jetzt ihre Knoll bekommen. Auch die Grünen fischen in ähnlichen Gewässern wie die Liberalen. Ihre Wähler wollen sie nicht gerne an Schmidt ausborgen, sehr wohl aber an Knoll.

Die sonst sehr krisengeschüttelten Grünen, die sich vor allem durch einen gewissen politischen Individualismus ihrer Mandatare auszeichnen, hoffen wohl, daß es jetzt wieder aufwärts geht: Immerhin hat der Obmannwechsel von Christoph Chorherr zu Alexander van der Bellen den Grünen massiv genutzt. Van der Bellen hat sich als Sympathieträger herausgestellt. Laut einer Blitzumfrage käme er auf Platz acht in der Skala der Politiker, "die in der nächsten Zeit eine wichtige Rolle spielen" sollen. Er landet damit vor den meisten Spitzenpolitikern der Volkspartei und auch vor dem Wiener Bürgermeister Häupl.

Van der Bellen hat in einem Gespräch mit der Grazer Kleinen Zeitung die Linie insgesamt vorgegeben: Die Grünen müßten einerseits ihre Tradition, "ein Widerstandsprojekt" zu sein, bewahren, andererseits müsse es ihnen gelingen, "vertrauenserweckend zu sein, Sicherheit, Zuversicht, also etwas Konstruktives auszustrahlen". In der Politik müsse es mehr geben als nur "Papiere, Ideen und Projekte", meint der Obmann: "Die Politik muß irgendwie an das Herz oder an den Bauch der Leute herankommen. Und da experimentiere ich irgendwie


 
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