© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/98 06. März 1998

 
 
Bundestagswahl: Gerhard Schröder will eine bessere CDU
Rechtsruck der SPD
von Thorsten Thaler/ Dieter Stein

Ein Hauch von Machtwechsel weht über das Land. Seit dem triumphalen Wahlsieg Gerhard Schröders bei der niedersächsischen Landtagswahl und seiner Nominierung zum SPD-Kanzlerkandidaten wähnt sich die sozialdemokratische Enkel-Generation am Ziel ihrer Träume. "Die Ära Kohl geht zu Ende", lautet die Botschaft der Genossen, und wenn der politische Schein nicht trügt, werden sie damit recht behalten.

Wie blank die Nerven bei den Spitzenleuten der Bonner Regierungskoalition liegen, zeigte sich bereits am Wahlabend. Weil das ZDF ein Live-Interview mit Gerhard Schröder in die "Bonner Runde" einspielte, verließen die Generalsekretäre von CDU, CSU und FDP geschlossen das Fernsehstudio – ein bislang einmaliger Vorgang. In dieses Bild paßt auch, daß seit vergangenem Sonntag aus den Parteizentralen der Union und der Liberalen vornehmlich Beschwörungen der eigenen Unbezwingbarkeit zu hören sind.

Die "Persönlichkeitswahl zugunsten Schröders" (Emnid-Chef Schöppner) hat die Republik jedenfalls in eine Unruhe versetzt, die für sich genommen schon wohltuend ist. Daraus freilich die Hoffnung abzuleiten, von nun an werde über alternative Politikentwürfe für dieses Land diskutiert, ist fehl am Platz. Schröders dynamisches Auftreten und sein spürbarer Wille zur Macht ersetzen keine Inhalte. Die jedoch sind bei dem frischgekürten Kanzlerkandidaten der SPD bis auf weiteres allenfalls in Umrissen erkennbar. Daß jeder Bundeskanzler besser wäre als Kohl, entspricht nach dessen 16jähriger Dauerherrschaft zwar einer weitverbreiteten Stimmung hierzulande, könnte sich aber als Trugschluß erweisen.

Schröders Profil, das auf die traditionelle Schumacher/Schmidt-SPD zielt, dämpft die Erfolgschancen rechter Parteien. So ist das schwache Abschneiden der Republikaner bei der niedersächsischen Landtagswahl (2,8 Prozent) nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß Schröder auch erfolgreich im nationalen Wählerspektrum fischte. Während die Republikaner etwa 12.000 Stimmen an die CDU verloren, zog es rund 21.000 Wähler der Rechtspartei (zurück) zur SPD. "Die starke Polarisierung hat uns Stimmen gekostet", erkannte der Republikaner-Vorsitzende Rolf Schlierer. Schröder sei es mit Rückenwind der Medien gelungen, einen Teil des "Protestwählerpotentials" an sich ziehen zu können. Das Bedürfnis, gegen Kohl zu stimmen, sei offensichtlich größer gewesen als die kritische Abrechnung mit Schröders Versagen in Niedersachsen auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit, der Ausländer- und Finanzpolitik. Ein Bedürfnis, das sich mit Blick auf die Bundestagswahl am 27. September gerade bei unzufriedenen Bürgern erneut zu Lasten aller sonstigen Parteien einstellen könnte.

Fraglich ist insbesondere, ob der Bundestagswahlkampf neben der Personal-Auseinandersetzung Kohl-Schröder auch eine deutliche inhaltliche Komponente erhält: Wird Schröder, wie er es in der Vergangenheit getan hat, auch Reizthemen besetzen? Wenn die Ausländerkriminalität und der Euro ins Spiel gebracht werden, könnte eine explosive Stimmung entstehen, die die CDU nicht nur noch stärker unter Druck setzt, sondern auch parteipolitische Alternativen auf dem rechten Flügel befördert. Ihre Themen stehen dann auf der Tagesordnung. Die Regierungsparteien befänden sich in einer Zangenbewegung von links und rechts.

Schröder könnte Kohl übrigens schon vor dem 27. September kippen: Er müßte für eine Ablehnung, wenigstens eine Verschiebung des Euro im Bundestag sorgen und einen Untersuchungsausschuß zum Thema Bodenreform einsetzen lassen. Aber hierzu fehlt dem Niedersachsen wohl der Mut.


 
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