© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/98 20. Februar 1998

 
 
Hektik auf der Hardthöhe
von Dieter Stein

Die Oderflut war für das Verteidigungsministerium eine leichtere Aufgabe als die Flut von Vorwürfen, die seit Wochen zum Thema "Rechtsextreme und Bundeswehr" über es hereinbricht. Immer wieder, jede Woche neu, beinahe täglich, graben Journalisten Geschichten aus, die dienlich sind, die Bundeswehr unter Verdacht zu stellen. Es ist ein gefundenes Fressen, auf das viele Journalisten regelrecht gewartet haben und das ein beliebtes Stück der Bonner Bühne aufs neue variiert: "Wir sind wieder soweit" oder "Haben wir noch nicht genug aus der Geschichte gelernt?" – kurz: Vergangenheitsbewältigung und Politik steht auf dem Programm. Die Armee ist dafür geradezu prädestiniert. Kaum einer anderen Institution – außer der katholischen Kirche – kann man den Hang zu autoritärem und hierarchischen Denken vorwerfen. Eisernes Kreuz, Märsche, Uniformen – himmelnochmal, das weist doch auf Kontinuitäten, die wir alle für überwunden glaubten …oder wie?

Diese Woche wurde wieder eine neue Sau durchs Dorf gejagt: Angeblich planten Rechtsextremisten, massenhaft die Bundeswehr zu entern, quasi im Sturm zu nehmen. Brückenköpfe bildeten schon JN- und NPD-Einheiten. Ziel: Ausbildung an der Waffe. Zweck: Bewaffneter Umsturz in Deutschland. Ein Stück für ein rheinisches Cabaret, nicht ernsthafter Erörterung würdig – möchte man meinen. Weit gefehlt: Erneut begibt sich das Verteidigungsministerium in die Defensive, wird die NPD-Mitgliedschaft von einer Handvoll Wehrpflichtiger nun zu einem ernsthaften Problem stilisiert. Hektischer Aktionismus und Rundumdistanzierungen sind an der Tagesordnung. Immer wieder neue Überprüfungen, Untersuchungen und Gesinnungstests werden angkündigt. Bald werden womöglich Soldaten rund um die Uhr von Verfassungsschützern begleitet, weil man ihnen nicht vertraut.

Der künftige Generalinspekteur Hans-Peter von Kirchbach läßt jedoch auf mehr Verstand in der Zukunft hoffen. Er bekräftigte die Ansicht, die Armee könne extremistische Mitläufer aushalten. Schließlich habe die Bundeswehr einen Erziehungsauftrag. Die Chance, Mitläufer wieder auf den rechten Weg im Sinne des Grundgesetzes zu bringen, sei durchaus vorhanden. Er sehe keine Gefahr der Unterwanderung. Man kann auch bezweifeln, ob Erziehungsmaßnahmen bei jedem NPD-Mitglied notwendig sind. Richtig ist aber, daß es eine selbstbewußte Armee in jedem normalen Land aushält, daß in ihr alle "Söhne des Volkes" dienen, also auch erklärte Kommunisten, Sozialisten, Liberale, Konservative und Nationalisten. Wenn eine Armee dies nicht kann, ist offensichtlich etwas faul im Staate.


 
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