© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/98  06. Februar 1998

 
 
Euro: Neuerscheinung auf dem Buchmarkt sorgt für Diskussionen
Heroischer Opfergedanke
von Hartmuth Becker

Die zum 1. Januar 1999 geplante Einführung des Euro erregt weiterhin die Gemüter. Nach der Einreichung einer Klage von vier Professoren (die JF berichtete) bietet jetzt eine Neuerscheinung auf dem Buchmarkt Anlaß für Diskussionen.

Dem Herausgeber Hans-Ulrich Jörges ist die erstaunliche Leistung gelungen, in dem Sammelband "Der Kampf um den Euro – Wie riskant ist die Währungsunion?" (Hoffmann und Campe, Hamburg 1998, 32 DM) 41 hochkarätige Autoren zu gewinnen, die zu dem ultimativen währungspolitischen Thema der kommenden Jahre Stellung beziehen. Die Beiträge sind durchweg kurzweilig und ermöglichen einen tiefen Einblick in die unterschiedlichsten Motive, Analysen und Interessenlagen.

Gern würde man dem FDP-Politiker Burkhard Hirsch glauben, die Währungsunion sei kein Automatismus, doch mit zunehmender Lektüre schwindet die Illusion, die D-Mark stünde noch zur Disposition. Kein Geringerer als der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker deckt das Arkanum auf, die Schaffung der monetären Union sei der mit Frankreich verhandelte Preis für die deutsche Einheit gewesen. In diesem Zusammenhang wird verständlich, warum der Kanzler nach der Wiedervereinigung entgegen aller Vernunft willentlich an dem Euro-Projekt festhalten mußte. Ökonomisch richtig, aber politisch falsch ist deshalb der Satz, den Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer zu Protokoll gibt: Der europäische Himmel werde nicht einstürzen, falls der Euro nicht kommt.

Den juristischen Gehalt seiner Verfassungsklage erläutert der Erlanger Staatsrechtler Karl A. Schachtschneider. Von dieser Klage eine Totalrevision zu erwarten, ist vielleicht zu optimistisch. Im günstigsten Fall kommt es unter Berücksichtigung der bis dahin geschaffenen Fakten zu einer unverbindlichen richterlichen Aufforderung an die deutsche Politik, auf die Einhaltung der Stabilitätskriterien zu achten. Im schlechteren Fall wird das Gericht eine Zuständigkeit von sich weisen und damit anzeigen, inwieweit sich die nationale Souveränität bereits verflüssigt hat.

Dem Leser wird die Einhelligkeit auffallen, mit der sich Politiker für den Euro und die zitierten Experten gegen den Euro aussprechen. Das kann kein Zufall sein: Mit zunehmender Politisierung scheint die Relevanz des Interessenhintergrundes zuzunehmen. Technisch gesehen, drückt sich das durch die Verdrängung der Argumentation durch Propaganda aus. Tatsächlich ist es müßig, die Argumente aufzuzählen – ob Winfried Münster den politischen Mißbrauch einer monetären Kategorie anspricht, oder Rolf Peffekoven einen erhöhten Transferbedarf aufgrund der eminenten realwirtschaftlichen Unterschiede innerhalb der EU prognostiziert, während Ralf Dahrendorf weiß, daß der Euro netto keine Arbeitsplätze schafft – vor der Politik finden sie keine Gnade.

Auf den erfrischenden Beitrag des Euro-Befürworters Klaus von Dohnanyi lohnt es sich aus systematischen Gründen näher einzugehen. Zunächst argumentiert er differenziert, es gäbe "gute Gründe für beide Seiten der Diskussion". Schließlich entscheidet er sich eindeutig und führt aus, daß der Euro kommen muß, um die D-Mark-Hegemonie auf den europäischen Finanzmärkten aufzuheben. Dohnanyi gibt zu, daß in einer mit Deutschland vergleichbaren Situation von Frankreich und England sicherlich nicht Gleiches zu erwarten wäre; doch die deutsche Geschichte sei eben nicht vergleichbar.

Damit führt Dohnanyi überraschenderweise den heroischen Opfergedanken in die ansonsten kühl kalkulierende Finanzwelt ein. Dort ist er allerdings fehl am Platz, weil Europa auf die höhere Weihe einer kulturellen Identitätsgemeinschaft bewußt verzichtet und sich lediglich funktionalistisch definiert. Das Resultat wird Dohnanyi Unrecht geben: Die französische Seite wird im Gegenzug nicht daran denken, ihrerseits Konzessionen im gesamteuropäischen Sinne zu machen. Was man hat, das hat man. Dann war das Opfer der D-Mark vergeblich, aber nicht umsonst.

Eine gewagte Verknüpfung von moralischer Schuld und monetärer Politik findet sich in den Beiträgen von Jürgen Trittin und Peter Glotz. Sind die Behauptungen des Vorstandssprechers der Bündnisgrünen bloß vorgeschoben, scheint der Sozialdemokrat Glotz tatsächlich anzunehmen, es sei eine Zumutung für Polen, Niederländer und Franzosen, vom "Kernland des Holocaust" monetär dominiert zu sein. Natürlich sei "den Deutschen" nicht zu trauen, meint Glotz. Anscheinend gilt ähnliches auch für "die Amerikaner", wenn er ausführt, "eine DM-Zone als Juniorpartner des Dollars" müsse verhindert werden.

Einen "Moralischen" ganz anderer Art bekommt der Journalist Fritz Pleitgen, der sich beklagt, daß die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte. Immerhin weist er die Versuchung von sich, Hofberichterstattung zu betreiben.

Die Euro-Diskussion wird zum geschichtlichen Studienobjekt für die Themenbereiche Macht und Politik, Schuld und Sühne, Sein und Schein promovieren. Dieses Buch trägt dazu bei, die Zusammenhänge zu erhellen.


 
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