© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   06/98  30. Januar 1998

 
 
Wahl ´98: Alexander von Stahl über die FDP, Nationalliberale und den Bund Freier Bürger
"Das Pendel schlägt wieder zurück"
von Thorsten Thaler

Herr von Stahl, trotz eines überraschend guten Ergebnisses für Sie hat es zum Vorsitz der Berliner FDP auch im zweiten Anlauf nicht gereicht. Die Mehrheit der Mitglieder will offenbar keinen nationalliberalen Kurswechsel.

STAHL: Keine Bange, Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Von einem knappen Drittel im Jahr 1996 bis fast zur Hälfte der Delegiertenstimmen am vergangenen Sonnabend ist doch ein nicht unbeachtlicher Erfolg, finde ich wenigstens.

Sind die Nationalliberalen damit ein für allemal gescheitert?

STAHL: Nationalliberale sind in meinen Augen diejenigen, die den klassischen Liberalismus à la Adam Smith und August von Hayek mit einem gesunden Schuß Patriotismus kombinieren, also die nicht gleich fünf Zentimeter kleiner werden, wenn der Begriff Deutschland fällt oder die bei diesem Wort politisch korrekt nur an ewige Schuld und Sühne denken können. Diese Nationalliberalen wird es in Zukunft einfach deshalb mehr geben, weil das Pendel immer zurückschwingt und der Kulminationspunkt der Sack-und-Asche-Ideologie überschritten ist.

Können Sie das näher erläutern?

STAHL: Das ist doch nicht so schwer zu verstehen. Meine Kinder reagieren zum Beispiel ausgesprochen allergisch, wenn die deutsche Geschichte auf die Jahre von 1933 bis 1945 eingedampft und als Mittel innen- wie außenpolitischer Nötigung benutzt wird. Ganz zu schweigen von den nicht enden wollenden Entschädigungsforderungen.

Aber Ihrer Gruppe läuft doch die Zeit und laufen auch die Mitglieder davon.

STAHL: Markus Roscher ist mit den von ihm für die FDP geworbenen Freunden gegangen. Das bedauere ich persönlich. Seinem Ausscheiden lagen aber eher persönliche Querelen im rechten Lager zu Grunde als ideologische Frustrationen.

Stehen Sie selbst denn noch als Galionsfigur der Nationalliberalen zur Verfügung?

STAHL: Ich weiß gar nicht, ob ich wirklich eine Galionsfigur war. Jedenfalls werde ich jetzt erst einmal einige berufliche Möglichkeiten austesten, die ich für den Fall meiner Wahl zum Landesvorsitzenden der Berliner FDP schon abgeschrieben hatte.

Was bedeutet das konkret? Wollen Sie sich in zwei Jahren erneut um den Parteivorsitz in Berlin bewerben?

STAHL: Eine dritte Kandidatur zum Vorsitz halte ich eher für unwahrscheinlich.

Wie steht es mit einer Kandidatur für die Berliner Abgeordnetenhauswahlen 1999?

STAHL: Das halte ich für genauso unwahrscheinlich. Wer will schon der ewige Verlierer sein oder sich mit solchen belasten.

Nationalkonservative Inhalte wie Kriminalitätsbekämpfung, Zuzugsbeschränkungen für Ausländer oder die Entpolitisierung der Justiz sind in der FDP stark mit Ihnen identifiziert worden. Mit ihrem Rückzug reißen Sie eine Lücke auf.

STAHL: Wie heißt der alte Spruch? "Er wird durch die Lücke ersetzt, die er hinterlassen hat." Aber im Ernst: Ich kann nach wie vor Vorträge halten, schreiben und in den diversen Parteigremien mitarbeiten.

Zu einem der Vize-Vorsitzenden der Berliner Partei ist Ihr Mitstreiter Axel Hahn gewählt worden. Hat er das Zeug dazu, in Ihre Fußstapfen zu treten?

STAHL: Jeder macht seine Sache anders. Axel Hahn ist auf der einen Seite nicht so bekannt wie ich, auf der anderen Seite ist er als Politologe und Schüler von Arnulf Baring besser ausgebildet als ich. Auch Alexander Fritsch, der ebenfalls in den Vorstand gewählt wurde, darf nicht übersehen werden. Er ist ein guter Journalist, PR-Fachmann und politisches Naturtalent, und er steht mit beiden Füßen fest im rechten Lager.

Am vergangenen Wochenende haben sich Ihre Ex-Parteifreunde Manfred Brunner und Heiner Kappel zu einer neuen Rechtspartei zusammengeschlossen. Sie würden dort mit offenen Armen empfangen.

STAHL: Das mag sein, aber ich bleibe bei dem, was ich auch vor der Wahl schon erklärt habe, nämlich daß ich der FDP erhalten bleiben werde.

Welche Chancen räumen Sie diesem Bündnis ein?

STAHL: Heiner Kappel und Manfred Brunner halte ich für honorige und engagierte Demokraten. Jeder Versuch, die beiden in eine extremistische Ecke zu stellen, ist Verleumdung. Dennoch erwarte ich nach meiner politischen Erfahrung, daß auch dieser Versuch einer Parteineugründung zum Scheitern verurteilt ist.

Trotzdem ist man in Bonn offenbar sehr nervös. Jeder Prozentpunkt für den Bund Freier Bürger ginge zu Lasten der Regierungskoalition und gefährdete vor allem den Wiedereinzug der FDP ins Parlament.

STAHL: Das stimmt, denn selbst im Scheitern kann die neue Partei die FDP noch unter die Fünf-Prozent-Hürde drücken, weil sie ihr die entsprechenden Stimmenanteile abnimmt.

Für die Liberalen in ihrer jetzigen Verfassung könnte eine außerparlamentarische Denkpause auch Vorteile haben.

STAHL: Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag halte ich eine Wiederauferstehung für fast ausgeschlossen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen