© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   06/98  30. Januar 1998

 
 
Ausstellung: Widerstand in der Wehrmacht
Gerangel um Profil
von Martin Otto

Ende gut, alles gut. Die FAZ jubiliert: "Es war ein würdiger Tag". Klaus von Dohnanyi, so vernimmt man, habe in seiner Rede wertvolle Worte verloren. Von Aufrichtigkeit gegenüber unserer Geschichte war da die Rede, und wir dürften, so der "Sozialdemokrat von Adel" (FAZ), "unser Vaterland auch aufrecht ehren." Entsprechend tief beeindruckt zeigte sich etwa die Frankfurter CDU-Stadtverordnete Alexandra Prinzessin von Hannover: "Dohnanyi hat recht: Es gab auch viele kleine Leute, die Widerstand geleistet haben". Bestens: Der adelige Sozialdemokrat würdigt den Widerstand konservativer Wehrmachtsoffiziere, aber auch die "Fahnenflüchtigen, die nicht am Vernichtungskrieg teilnehmen wollten", der christdemokratischen Adeligen werden dadurch die Augen geöffnet; womöglich ist ihr der "Widerstand der kleinen Leute", wer auch immer das sein mag, erst durch die Dohnanyischen Ausführungen bewußt geworden. So schön kann der bundesrepublikanische Konsens sein, so lehrreich das Gedenken an den deutschen Widerstand.

Was war geschehen: Letzten Sonntag wurde in der Frankfurter Paulskirche mit einer Rede des Hamburger Alt-Bürgermeisters von Dohnanyi die Ausstellung "Aufstand des Gewissens" eröffnet, die den militärischen Widerstand gegen Hitler thematisiert. Sie versteht sich bewußt als Gegenstück zu der umstrittenen Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht", die ja ebenfalls in der Paulskirche gezeigt wurde.

Letzterer Ausstellung wurde, unter anderem auch von Seiten der Frankfurter CDU, eine Verfälschung der Geschichte zugunsten einer einseitigen Darstellung der Wehrmacht als Mordbande vorgeworfen. Die CDU wollte zeigen, daß ihr derartige Einseitigkeit keine Ruhe läßt. Man organisierte also eine neue Ausstellung über die Wehrmacht, für deren Richtigkeit das Militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr bürgt.

Die CDU hatte es sich so schön vorgestellt. Nach den Einseitigkeiten des Hannes Heer tritt eine von namhaften CDU-Politikern organisierte Ausstellung auf den Plan, die den verunsicherten Bürgern mitteilt, daß es, man glaubt es kaum, auch in den Reihen der Wehrmacht Widerstand gegeben habe. Mithin kann die Stadt Frankfurt, die organisatorisch hinter der neuen Ausstellung steht, den ihrem Gewissen folgenden Wehrmachtsangehörigen ihren Tribut zollen, ohne auch nur ein Verbrechen der Wehrmacht bestreiten zu müssen. Der verunsicherte Bürger gewinnt sein Vertrauen in den Staat und seine Parteien zurück, vielleicht war das Ganze mit der ersten Wehrmachtsausstellung ja nur eine Art Ausrutscher.

Die Rechnung ging leider nicht ganz auf. Es kam zu schon aus anderen Politikfeldern, die mit der Wehrmacht gar nichts zu tun haben, bekannten Zwistigkeiten zwischen Oberbürgermeisterin Roth und ihrer sozialdemokratischen Kulturstadträtin Reisch. Frau Roth wollte Hans Mommsen als Eröffnungsredner, Frau Reisch Klaus vonDohnanyi. Um politische Differenzen ging es hier weniger,vielmehr lag eine wohl recht mangelhafte Koordination der beiden Politikerinnen vor. In jedem Fall sagte ein plötzlich ausgeladener Mommsen erzürnt ab, Unmengen politischen Porzellans wurden zerbrochen.

Am Ende hatte man sich dann doch noch zusammengerauft. 600 geladene Gäste aller Couleur zollten der Dohnanyischen Rede Beifall und Respekt, Frau Roth entschuldigte für "kaum verstehbare Entscheidungsabläufe im Vorfeld der Ausstellung". Und alle waren sich einig, daß der Widerstand des 20. Juli Respekt verdient. Hans Eichel etwa, Sozialdemokrat und Ministerpräsident, stellte in kurzen Worten fest: "Sie haben uns gezeigt: Es stimmte nicht, daß man nichts tun konnte." Letztlich aber stellt sich die Frage: Cui bono? Umtreibt die Frankfurter Politiker Tag und Nacht die Sorge, die Widerstandsleistung der Moltkes, Stauffenbergs, Witzlebens könne durch verfälschende Ausstellungen, etwa "Verbrechen der Wehrmacht", geschmälert werden? Das wohl eher nicht, vielmehr schien sich jeder Politiker das herauszugreifen, was ihm gefiel; Hans Eichel etwa faselte auch vom "konservativ-preußisch geprägten Antisemitimus einiger Männer des 20. Juli", womit die Rede Dohnanyis schon wieder etwas konterkariert wurde.

Die Motive für den "großen Tag" (parteiübergreifend) in der Paulskirche scheinen eher in den Niederungen der Frankfurter Kommunalpolitik zu liegen. Daß die Wehrmachtausstellung in den Reihen der Frankfurter CDU reichlich Staub aufgewirbelt hatte, ist bekannt, im Magistrat waren die Komplikationen nicht geringer. Mit dem militärischen Widerstand des 20. Juli scheint der kleinste gemeinsame Nenner gefunden, auf den man alle einigen kann, der gefahrlose Weg, sich einer Pauschalisierung der Wehrmacht entgegenzustellen. Jetzt sind alle zufrieden: SPD und Grüne schon seit letztem Jahr, weil die Wehrmachtausstellung in der Paulskirche stattfinden konnte, die CDU, weil sie nun auch von sich vor ihren Wählern behaupten kann, eine, in diesem Fall sogar objektive, Ausstellung in der Paulskirche durchgesetzt zu haben. Es erinnert an die sonstige Frankfurter Kommunalpolitik: ein Schritt vor, zwei zurück, Parteifarbe wechselnd.

Die Männer des 20. Juli, instrumentalisiert zu Statisten der Frankfurter Kommunalpolitik. Das haben sie, wie auch die sicherlich sehenswerte Ausstellung, auf keinen Fall verdient.


 
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