© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   06/98  30. Januar 1998

 
 
Parteien in der Krise: Austritte, Übertritte, Auflösungserscheinungen
Die Erosion der Mitte
von Dieter Stein

Acht Monate vor der Bundestagswahl beginnt in Deutschland die Phase des Vorwahlkampfes. Bevor die großen Turbinen der Wahlkampfmaschinen von SPD und Union von den ausgebufften Profis in der Bonner "Baracke" und dem "Konrad-Adenauer-Haus" angeworfen werden, bringen sich auch die kleinen Parteien in Stellung.

Am Wochenende nun formierten sich frustrierte Ex-Mitglieder der FDP und der CDU, um den "Bund Freier Bürger" – eine 1994 von Manfred Brunner gegründete Partei als bürgerliche Alternative zu stärken.

Seit Helmut Kohl 1982 Helmut Schmidt als Bundeskanzler ablöste, gab es Absetzbewegungen von den Flanken der Regierungsparteien. Als 1983 der als knallharter Antikommunist geltende Franz Josef Strauß einen Milliardenkredit an die DDR mit Chefdevisenhändler Alexander Schalck-Golodkowski einfädelte, knallte es auf dem rechten Flügel der Union: Eine Reihe von – nun bitter enttäuschten – Strauß-Getreuen verließ damals die CSU und gründete im November 1983 in München die Partei "Die Republikaner", deren erster Vorsitzender der Bundestagsabgeordnete Franz Handlos wurde (niederbayerisches Direktmandat mit 73 Prozent). Bereits ein Jahr später zerbrachen die Republikaner fast an innerparteilichen Querelen, als sich der kurz zuvor geschaßte stellvertretende Chefredakteur des bayerischen Fernsehens, Franz Schönhuber, an die Spitze drängte.

Während die Republikaner eng mit dem nichtgehaltenen Anspruch der "politischen Wende" Kohls zu verbinden und ein Spaltprodukt der Unionsparteien sind (der jetzige Rep-Chef Schlierer war vorher Funktionär beim RCDS und der CDU), so ist der vergangenes Wochenende stärker ins Licht der Öffentlichkeit getretene BFB ein Kind der sich in der Koalition verschleißenden FDP. Manfred Brunner und Heiner Kappel kommen aus dem nationalliberalen Flügel der "Joker-Partei" – beide überwarfen sich mit ihrer Partei vor allem wegen der Frage der geplanten europäischen Währungsunion.

Die politische Lage hat sich im Jahre 1998 – 15 Jahre nach der Gründung der Republikaner – radikal verschärft. Der Zeitpunkt für eine erdrutschartige Veränderung des Bonner Parteienspektrums scheint zwingend zu sein: Völlig überschuldete, nicht mehr sanierbare öffentliche Haushalte können nur noch auf die durch die Einführung des Euro erzwungene Geldentwertung hoffen, um sich auf Kosten der Sparguthaben zu entschulden. Die Arbeitslosigkeit droht im Februar die 5-Millionen-Grenze zu überschreiten. Eine keuchende Konjunkturlokomotive muß überschuldete Haushalte und ein Millionenheer an Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern ernähren, was sie immer weniger kann. Täglich drängen neue Zuwanderer nach Deutschland, die mit dem Zauberwort "Asyl" den Genuß paradiesischer Leistungen des deutschen Sozialstaats erzwingen können. Die Verunsicherung durch alltägliche Gewalt und Kriminalität nimmt zu – die Bürger können nicht erkennen, wohin die Reise gehen soll: zum souveränen liberalen Nationalstaat oder zum aus Brüssel fremdbestimmtenmultikulturellen Polizeistaat?

Eine Situation, die nach einer starken politischen Alternative verlangt. Die Medien tun noch alles, um dem Parteienspektrum von PDS bis CDU die Stange zu halten und berichten lustlos oder überhaupt nicht über Parteien, die Angebote machen – wie den BFB oder die Republikaner. Das muß sich ändern.


 
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