© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/98  09. Januar 1998

 
 
Österreich: Polittheater um die Olympiabewerbung der Alpenrepublik
Vorolympische Intrigenspiele
von Erich Glück

Am Fuße des Mönchsbergs und des Hahnenkamms haben es die ehrgeizigen Möchtegern-Olympia-Ausrichter noch lange nicht verdaut, daß der zahnlos geglaubte Klagenfurter Lindwurm den Salzburger Stier und die Kitzbüheler Gams verschlungen hat und Kärnten als offizieller Bewerber Österreichs für die XX. Winterspiele 2006 firmiert. Die Stimmung an der Salzach und an der Kitzbüheler Ache ist nach wie vor aufgeheizt, da die Verantwortlichen der beiden aus dem Kandidatenrennen geworfenen Städte jede Menge an Ungereimtheiten rund um die Abstimmung (6:5 zugunsten Kärntens gegen Salzburg) gepaart mit waschechten politischen Intrigen wittern. Sie werfen dem Gespann Klima-Schüssel vor, Drahtzieher der selbst in Fachkreisen völlig unerwarteten Pro-Klagenfurt-Entscheidung gewesen zu sein. Die Blickrichtung heißt Kärntner Landtagswahlen 1999. Der rote Kanzler will seinen Spitzenkandidaten Michael Ausserwinkler, abgehalfteter Minister der Vranitzky-Regierung, über Olympia genauso profilieren und profitieren lassen, wie der schwarze Vize seinen allzeit getreuen Landeshauptmann Christoph Zernatto. Womit als unfreiwillige Pointe im vorolympischen "Ringelspiel" der Ränke plötzlich auch wieder Jörg Haider eine Rolle spielt, obwohl er in dieser Kandidatenkampagne den Part des Pilatus im Credo einnimmt. Aber Rot-Schwarz geht es zwischen Katschberg und Karawanken in erster Linie darum, das im südlichsten Bundesland traditionell starke dritte Lager Haiders mit allen gebotenen Mitteln 1999 empfindlich zu schwächen.

Ein finanziell wichtiges Kriterium bei der Olympia-Abstimmung war die sich Kärnten bietende besondere Wirtschaftsförderung, sollten die grenzenlosen Spiele der Region Kärnten-Friaul-Slowenien Wirklichkeit werden. Die Entscheidung fällt das Internationale Olympische Komitee (IOC) dieses Jahr. Schärfster Konkurrent der Österreicher ist Sion (=Sitten), Hauptstadt des Schweizer Kantons Wallis. Geradezu grotesk, daß Italien trotz der Einbindung Friauls mit dem Raum Venedig-Dolomiten einen zweiten Kandidaten nennt.

"Der Ausgang der geheimen Olympia-Abstimmung des Österreichischen Olympischen Komitees (ÖOC) in Wien war auch ein Votum für Europa, obwohl Slowenien noch nicht in der Union ist", meinte EU-Ratsvorsitzender Jean-Claude Junker zum sensationellen Ergebnis vom 2. Dezember 1997. Das "senza confini"-(= ohne Grenzen)-Konzept des Dreiländerecks entspricht ja mit dem Olympia-Budget von mehr als einer Million Mark den langfristigen neuen Regionalisierungsplänen in Brüssel. Franz Klammer, der 2006 den 30. Jahrestag seiner Abfahrts-Goldmedaille vom Patscherkofel feiern kann, propagierte als Haupttrommler für die "Senza confini"-Spiele stets die idealistischen völkerverbindenden Brücken. Wie sich die Arbeitspragmatik zwischen Kärnten, Slowenien und Friaul, wo überall noch Reste historischer Ressentiments zu orten sind, ausnehmen wird, ist eine Pikanterie am Rande der Kommunikationskultur. Sie hat sich in der Dreiländerregion in der Vergangenheit oft als Sprachlosigkeit dokumentiert.

Bei den Verlierern wird der Groll auch nicht nach dem zwischenzeitlichen Weihnachtsfrieden weichen. Während Kitzbühels Hauptwerbeträger Toni Sailer, dreifacher Olympiasieger von Cortina 1956, die Zähne zusammenbiß, machte Ernst Hinterseer sen., Slalom-Olympiasieger von Squaw Valley 1960, seiner Empörung Luft: "Da ist einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen. Warum die peinliche Geheimnistuerei um das Abstimmungsergebnis, dessen Details nur ÖOC-Präsident Leo Wallner und einem Juristen bekannt sind? Wer hat da was zu verbergen?"

"Es war ein reines Politikum, ich war naiv genug, um an eine faire und objektive Abstimmung zu glauben", so Salzburgs Handelskammerdirektor Wolfgang Gmachl, Chef des Vereins "Salzburg Olympia 2006". Die Festspielstadt hatte sich nicht nur wegen des 250. Geburtstags von Wolfgang Amadeus Mozart im Jahre 2006 um die Austragung der Winterspiele beworben. "Das IOC verlangt für eine optimale Inszenierung von Weltspielen auch ein umfangreiches Kultur- und Bildungsprogramm. Die täglichen Konzerte im Olympiapark von Atlanta 1996, begleitet von vielschichtiger Unterhaltung, waren nicht bloße Begleitmusik, sondern integraler Bestandteil von gelungenen Olympischen Spielen. Daher hat sich IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch von Haus aus für uns ausgesprochen, weil er die Verbindung zwischen Sport und Kultur als seine Lieblingsidee herausstreicht", betonte Gmachl. Der fast omnipotente IOC-Chef fühlte sich durch das Votum für das Dreiländereck brüskiert. Da die olympische Flamme nicht in Salzburg brennen wird, wird sich die sportbegeisterte Region nach einem neuen Großereignis umsehen. Für die Fußball-Europameisterschaft 2004 bewerben sich "habsburgisch" Österreich und Ungarn. Die Chance für das multifunktionelle Stadion Wals-Kleßheim.

Eineinhalb Monate nach seinem Schnellschuß-Triumph bei der dubiosen Abwahl des FPÖ-Landrates Schnell, gab es für Landeshauptmann Franz Leo Schausberger einen großen Dämpfer. Er sieht das Ausscheiden Salzburgs von der Olympia-Kandidatenliste als persönliche Niederlage und als Revanche seines ÖVP-Bundesparteiobmanns Wolfgang Schüssel. Schausberger und sein Tiroler Amtskollege Wendelin Weingartner gehörten 1997 zu den schärfsten Kritikern des Vizekanzlers. Für die schwarzen "Landesfürsten" der Westachse Salzburg-Tirol kann es kein Zufall sein, daß die beiden Bundesländer ihre Olympiakonzepte nun an den Reißwolf verfüttern können. In der Politik gibt es keine Zufälle, nur Kalkül: senza confini.


 
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