© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/98 02. Januar 1998

 
 
"Nouvelle Droite": Günter Maschke zu Gast bei Alain de Benoist
Neue Gedankenpolizei

Frankreich, du hast es besser. Zum 31. Mal versammelt sich Frankreichs Neue Rechte in der Nähe der Porte Bagnolet zum Kongreß des GRECE, um zu diskutieren, alte Freunde zu treffen, neue kennenzulernen. An vielen Ständen präsentieren sich Verlage, die vom rechten bis ins bürgerliche Spektrum reichen. Gesprächsthema unter vielen der etwa tausend Gäste ist natürlich das neuerschienene "Schwarzbuch des Kommunismus". Französische, flämische und wallonische Zeitungen und Zeitschriften stellen sich vor und verschiedene Antiquariate bieten ihre Schätze an. Besucher aller Altersgruppen haben den Weg ins Kongreßzentrum gefunden, aber auffällig viele jüngere Leute stillen ihre Neugier auf Lesestoff, den ihnen das auch in Frankreich politisch korrekte Angebot der normalen Buchhandlungen nicht bieten kann oder will. Die Stimmung ist gelassen und entspannt. Es wird gelacht, diskutiert oder nebenan ein Café noir genommen.

"Nein zur Zensur! – Von der Gedankenpolizei bis zur neuen Inquisition", heißt dagegen das schon etwas aggressiver klingende Motto des im Saal nebenan stattfindenden Kongresses. Er faßt einige hundert Zuhörer und ist den ganzen Tag von 10 bis 17 Uhr gut gefüllt. Der Historiker Philippe Conrad spricht über Vichy, ein Thema, das noch heute die Gemüter in Frankreich spaltet und über die "Geschichte in Schwarz und Weiß". Der Essayist und Professor an der Pariser Sorbonne beanstandet, daß zunehmend die "liberalen Gesellschaften gegen die Freiheit" handelten.

Der Schriftsteller Günter Maschke hält einen vielbeachteten Vortrag über "Deutschland – Die ewige Stunde Null". Der Demokratie, so Maschke, liege stets auch eine Tendenz zum Konformismus zugrunde. Habe aber noch Tocqueville mit einem steigenden Druck zum politischen Konformismus durch die Mächtigen gegen die Minderheiten gerechnet, so sehe heutzutage die Lage ganz anders aus. Nicht die Mehrheit sei es, die die Minderheit unterdrücke, sondern – im Namen der Political Correctness – die Minderheiten die Mehrheit. Die "Hilflosigkeit der Theorie gegenüber der Political Correctness" sei sehr groß. Daß die PC eine "Zwangsgewalt" sei, die über die veröffentlichte Meinung das gewünschte Verhalte konditioniere und Karrieren zerstöre oder ermögliche, sei vielen daher gar nicht voll bewußt geworden. Die Demokratie beruhe auf einem Grundstock von Ideen, der nicht ohne weiteres jederzeit in Frage gestellt werden dürfe. Gerade das aber täten die Protagonisten der PC. Diese verlangten "Toleranz". In Wirklichkeit aber handle es sich stets darum, daß in einem ersten Schritt für diese Gruppen gleiche Rechte reklamiert würden, um sie dann, in einem zweiten Schritt, zu privilegieren. Die PC in Deutschland erhalte ihre Schärfe und Radikalität von der "Vergangenheitsbewältigung" her, die so in den meisten anderen Ländern nicht existiere. Maschke: "Hitler bestimmt immer noch, auf paradoxe Weise, die Richtlinien der Politik. Er ist der negative Herrscher Deutschlands." Ob Asylpolitik, Multikulturalismus oder Wissenschaftsfreiheit, ob Richard Wagner oder Martin Luther, nichts könne in Deutschland ohne direkten Bezug auf Hitler gesehen werden. Der aus dieser Sichtweise resultierende Antifaschismus und Antiautoritarismus müsse heute als "erste Ursache der sozialen Verwahrlosung Deutschlands" angesehen werden, lautet das düstere Fazit Maschkes.

Die Political Correctness in Frankreich und ihre Auswirkungen sind auch das Grundthema des sehr lebhaften Schlußvortrages von Alain de Benoist "Die Methoden der Neuen Inquisition" (Ein Ausschnitt aus der Rede Alain de Benoists auf Seite 12). Er spricht von "Einheitsdenken", "Neuer Inquisition", von "politischer Korrektheit" und von "Gedankenpolizei". Heute würden Autoren, die vor zehn, zwanzig Jahren bei den größten Verlagen publiziert hätten, von diesen Verlagen abgewiesen. Sie würden damit außerhalb der öffentlich anerkannten Diskussionsforen gestellt. Dieselbe Ausgrenzung hätten in diesem Zeitraum die Universitäten, die Bibliotheken, die Zeitungen und Zeitschriften vorgenommen. Es finde eine regelrechte Diskussionsverhinderung statt. Benoist: "Das zentrale Anliegen ist zu verhindern, daß die Argumente sich vermischen." Auseinandersetzungen würden nur noch in Form der Polemik geführt. Und er zitiert Michel Foucault: "Die Polemik ist eine parasitäre Figur der Diskussion." Das führe dazu, daß Diskussionen nicht mehr auf gleicher Ebene geführt werden könnten, was praktisch zur Eliminierung wirklich kontroverser Diskussionen führe. Gute Zeiten für die Herrschaft des Verdachtes: Ein Mensch sei nicht mehr das, was er tut, sondern das, was er versteckt. Und PC und Gedankenpolizei gäben vor, das Versteckte zu entdecken. Benoist: "Die Genkenpolizei wird so zu einer Polizei der Hintergedanken."

Der Saal, der sich im Laufe des Vortrages von Alain de Benoist immer mehr gefüllt hat, so daß viele Zuhörer im Stehen seinen Worten zuhören, bricht immer wieder in spontanen Beifall aus.

Langsam naht der Abschied und der Besucher scheidet aus Paris, nicht ohne das etwas wehmütige Gefühl, daß in Deutschland eine solch gutorganisierte und intellektuell beeindruckende Veranstaltung fehlt.


 
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