© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/24 / 01. März 2024

Grüße aus … Bozen
Keine heile Alpenwelt
Paul Decarli

Und dann zückte er plötzlich ein Messer und stach auf seine Opfer ein. Was sich anhört wie eine makabre Szene aus einem Horrorfilm, ist leider bittere Realität. Aktuell gehen in Italien die Wogen hoch, nachdem es zu zwei Messerstechereien an Schulen der Region Lombardei gekommen ist. Die Opfer waren dabei eine minderjährige Schülerin und eine Lehrperson. Wer nun denkt, diese grausamen Vorkommnisse sind ein Phänomen in großstädtischen Problemvierteln, der irrt. Auch im idyllischen Südtirol häufen sich seit Jahren Gewalt und Vandalismus an und um Schulen. Und die Vorkommnisse, welche dabei in offiziellen Berichten auftauchen, sind nur die Spitze des Eisbergs. 

Denn viele Probleme, die sich täglich an Südtirols Schulen abspielen, dringen nicht nach außen: Schülerinnen, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind oder vernachlässigt werden, Mittelschüler, die unter Angstzuständen leiden und im Klassenzimmer einnässen, 12jährige mit Selbstmordgedanken. Genannt wurden diese Beispiele von zwei Lehrpersonen in einem anonymen Interview. Anonym deshalb, da Lehrkräfte offiziell nicht über die Probleme sprechen dürfen, denen sie im Schulalltag begegnen. 

Die Eltern schicken ihre Kinder lieber auf Schulen außerhalb der urbanenGebiete.

Daß sie dabei mit ihrer Wahrnehmung nicht Humbug wiedergeben, zeigen die 1.142 Stimmen von Lehrkräften, welche mit der Petition „Schule in Not“ in die gleiche Kerbe schlagen. Besonders brisant ist dabei die Lage an sogenannten Brennpunktschulen. Diese befinden sich meist in den urbanen Gebieten der beiden Städte Bozen und Meran und weisen einen erhöhten Migrantenanteil auf. Dies führt teilweise dazu, daß Eltern ihre Schüler in „sichere“ Schulen in angrenzenden Gemeinden schicken. Die frischgebackene Landesrätin für Sicherheit Ulli Mair der Freiheitlichen Partei Südtirols findet für die Gewaltexzesse deutliche Worte: „Es kann schlichtweg nicht angehen, daß Schüler in Südtirol Angst haben müssen zur Schule zu gehen. Die Opfer dieser Barbarei fühlen sich in vielen Fällen alleingelassen und kämpfen oft nicht nur mit den physischen Schäden, sondern auch mit den psychischen Belastungen.“ Helfen würde laut Ansicht von Experten die Ablösung des Gießkannen-Prinzips, sprich die gleichmäßige Zuteilung von Schulpsychologen, Logopäden, Sprachenlehrer und Sozialpädagogen auf alle Schulen im Land, durch einen punktuellen Einsatz an Krisenherden. Denn die Leidtragenden dieser Zustände sind nicht nur die direkt betroffenen Schüler. Insgesamt wird die Lernqualität für alle Schüler dadurch gesenkt und deren Recht auf Bildung mit Füßen getreten. Mit Blick auf den Südtiroler Minderheitenschutz ist dies besonders prekär. Es bleibt zu hoffen, daß die Zukunft unserer Jugend nicht noch länger für einen kleinen Teil aggressiver Unwilliger geopfert wird.