© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/24 / 23. Februar 2024

Totalitäre Versuchung
Innenministerin Faesers Maßnahmenplan riecht nach Staatsstreich
Michael Paulwitz

Die Bundesinnenministerin zieht in den Krieg. Der „Kampf gegen Rechts“, den sie vom Tag ihrer Ernennung an zum ideologischen Kernstück ihrer Amtszeit ausgerufen hat, erreicht mit ihrem vor versammelter Presse und flankiert von den Chefs ihrer mächtigsten Sicherheitsbehörden verkündeten Maßnahmenkatalog eine neue Qualität: Er wird zum Frontalangriff auf Meinungs- und Gedankenfreiheit und auf die Legitimität von Opposition im politischen Wettbewerb. 

Die klassische rechtsstaatliche Unterscheidung von „legal“ und „illegal“, wobei im Grundsatz nur letzteres ein Fall für staatliches Handeln oder die Justiz ist, unterzieht die Ministerin mit ihren Behörden einer systematischen Demontage. Die Meinungsfreiheit als Grundpfeiler einer demokratischen Verfassung ist ein Abwehrrecht des Bürgers gegen staatliche Übergriffe. Sie schützt gerade solche Meinungen, die den jeweils herrschenden unangenehm und zuwider sind, selbst abwegige und absurde. Wo der Staat Meinungen nach Erwünschtheit bewertet und sortiert, beginnt bereits die Zensur.

Zahlreiche namhafte Stimmen, vom Parteifreund und Landesminister a.D. Mathias Brodkorb bis zur Crème der deutschen Staatsrechtler, haben Nancy Faeser auf dieses Grundprinzip unserer Verfassung hingewiesen. Allein, es interessiert sie offenkundig nicht, genausowenig wie ihre grüne Kabinettskollegin und „Familienministerin“ Lisa Paus, die mit ihren Feldzügen gegen „Haß und Hetze“ und der Ausweitung ihres „Demokratiefördergesetzes“ den Zangenangriff auf rechtsstaatliche Grundprinzipien vervollständigt.

Aus Faesers „13 Maßnahmen“, die sie just 

zur „Bekämpfung des Rechtsextremismus“ präsentierte und die unter diesem wenig Gutes verheißenden Etikett wohl in die unrühmliche Geschichte regierungsamtlicher Verfassungsbrüche eingehen dürften, weht Zeile für Zeile der kalte Hauch einer Herrschaft des Verdachts, die potentiell jede oppositionelle Regung unter den Vorbehalt staatlichen Mißtrauens stellt. 

Was Faeser betreibt, ist die Transformation eines demokratischen Rechtsstaats, in dem die Gleichheit aller vor dem Gesetz oberste Richtschnur zu sein hat, in einen linken Gesinnungsstaat mit Totalitätsanspruch, in dem erwünschte und den Machtanspruch der Regierenden stützende Meinungen privilegiert, mit staatlichen Machtmitteln gestützt und mit dem von den Bürgern zwangsweise bereitgestellten Steuergeld gefördert werden, während für abweichende und herrschaftsgefährdende Meinungen die rechtsstaatlichen Regeln mehr oder minder suspendiert werden, um effektiver gegen sie vorgehen zu können.

Ministerin Faeser, ihr Inlandsgeheimdienstchef Thomas Haldenwang und der ihr ebenfalls unterstellte Chef des Bundeskriminalamts Holger Münch haben das auch bemerkenswert unverblümt ausgesprochen. Diejenigen, die „den Staat verhöhnen“, bekämen es „mit einem starken Staat zu tun“, droht die Ministerin, wie üblich den Staat und seine ihn jeweils regierenden Repräsentanten gewollt verwechselnd. Linken oder klimaextremistischen Verhöhnern gilt diese Drohung selbstredend nicht. 

Die Bundesinnenministerin möchte für den „Kampf gegen Rechts“ ausdrücklich nicht nur „die Polizei“ einsetzen, sondern auch die Gaststätten- und Gewerbeaufsicht, die Finanzämter, das Waffenrecht und das Disziplinarrecht. Und es soll eben nicht nur auf eindeutige Straftaten oder „volksverhetzende und gewaltorientierte Bestrebungen“ als Kriterium ankommen. 

Faeser will die Gesetze aufbohren: Das „Gefährdungspotential“ soll ausschlaggebend sein, das „Aktionspotential“, die „gesellschaftliche Einflußnahme“, um gegen jene vorgehen zu können, die durch ihre erfolgreiche Teilnahme am demokratischen Meinungswettbewerb aus ihrer Sicht „gefährlich“ werden können, auch und gerade wenn sie nicht auf kriminellen oder gewalttätigen Pfaden unterwegs sind.

Ihnen droht die Durchleuchtung ihrer Finanzen und die Sperrung ihrer Konten, der Entzug der Konzession oder der wirtschaftliche Ruin bei Vermietung an die „Falschen“, die Wegnahme ihrer legalen Waffen oder der Verlust von Dienststellung und Beamtenpension. Dafür genügt im Zweifelsfall bereits der Verdacht. 

Verfassungsschutz-Chef Haldenwang buchstabiert es rustikal aus: Gewaltbereitschaft als Kriterium für Extremismus hat ausgedient, jetzt soll es um „verbale und mentale Grenzverschiebungen“, auf die der Inlandsgeheimdienstchef „achten“ will und „aufpassen, daß sich die entsprechenden Denk- und Sprachmuster nicht in unsere Sprache einnisten“. Klarer kann das Bekenntnis zur Gesinnungs- und Gedankenpolizei kaum noch ausfallen.

Haldenwang, der Erfinder des Gummiparagraphen „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, will ins Visier nehmen, was „staatswohlgefährdend“ sei, auch ohne „strafrechtliche Relevanz“. Die gewollte Vermengung von Staats- und Parteiinteressen, die Lust an der Denunziation, an der Einrichtung von „Meldestellen“ und „Früherkennungseinheiten“, die allgegenwärtige Orwell-Sprache, die unerschöpflich Beschönigungen für Zumutungen erfindet und Begriffe aushöhlt: Es riecht nach Staatsstreich, was da im Gange ist, nach einem konzertierten Angriff auf zentrale Verfassungsgrundsätze, verpackt in verräterisch totalitäre Bürgerkriegsrhetorik.

Faesers Versuch, den Umbau der Republik des Grundgesetzes in einen linksgrünen Gesinnungsstaat zu vollenden, unterscheidet sich freilich in einem wesentlichen Punkt von früheren totalitären Experimenten auf deutschem Boden. Es ist die schiere Panik vor dem drohenden demokratischen Machtwechsel, die sie antreibt. 

Das macht die üble Absicht nicht weniger gefährlich. Weltgeschichte pflege sich gern zweimal zu ereignen, „das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce“, schrieb Karl Marx einst über den „Achtzehnten Brumaire des Louis Napoléon“, jenen Staatsstreich des Neffen des Korsen, der Frankreich das Operettenregime des zweiten Kaiserreichs bescherte. Letztlich liegt es an den Bürgern, an uns allen, ob wir für Freiheit und Recht auf die Barrikaden gehen und Faesers „Kampf gegen Rechts“ als das zurückweisen, was er ist: eine erbärmliche Scharade.