© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/24 / 26. Januar 2024

Fortsetzung folgt
Proteste: Die Großkundgebungen sind vorbei, doch die Bauern ziehen weiter gegen die Ampel-Beschlüsse zu Felde
Christian Vollradt

Nach den Protesten ist vor den Protesten. „Nur eine Lösung beim Agrardiesel wird die Traktoren von der Straße bekommen“, hatte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, bereits vergangene Woche klargemacht. Diese Lösung kam bisher nicht zustande; nicht nach der Großkundgebung am Brandenburger Tor mit rund 30.000 Teilnehmern und fast 10.000 Schleppern oder Lastwagen, nicht nach den anschließenden Gesprächen von Branchenvertretern  mit den Spitzen der Ampel-Fraktionen und auch nicht bei der sogenannten Bereinigungssitzung, bei der im Haushaltsausschuß der vom Bundestag zu beschließende Etat für dieses Jahr zurechtgezimmert wurde. 

Es bleibt also erst einmal dabei: Für die Landwirte kommt eine von Finanzminister Christian Lindner und seiner FDP stets mantramäßig ausgeschlossene Steuererhöhung auf den Sprit. Nicht auf einmal, aber in Etappen. Daher gehen nun also auch die Aktionen der Betroffenen weiter. „Unsere Bauern sind enttäuscht, daß sie kein Gehör gefunden haben“, meinte Rukwied am vergangenen Freitag zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin. Eher dezentral und „nadelstichartig“ werde sich der Unmut in nächster Zeit äußern. Das setzten am Rande dieser internationalen Ernährungsmesse gleich die Freien Bauern in die Praxis um: Sie fuhren unter dem Motto „Treckerrundfahrt mit Stulle statt Messerundgang mit Häppchen“ laut hupend ums Messegelände, um gegen die für die Misere politisch Verantwortlichen, aber auch gegen die etablierten Standesvertreter zu demonstrieren. „Für mich und ganz viele Berufskollegen ist es angesichts der andauernden Proteste nur noch befremdlich, wenn Cem Özdemir und Joachim Rukwied sich da drinnen vergnügen wie jedes Jahr“, sagte der stellvertretende Freie-Bauern-Vorsitzende Marco Hintze. Er betonte zudem, daß es dabei längst nicht nur um die Steuererhöhung beim Agrardiesel geht. Wer das Los der Landwirte glaubwürdig verbessern wolle, müsse vor allem die Marktmacht der Monopole im Lebensmitteleinzelhandel brechen und den Preisdruck durch Importe senken. „In unserem Land läuft mehr schief als kleinkarierte Haushaltsfragen“, so der Rindermäster aus Brandenburg. 

„Bauern sind Unternehmer und keine Transfergeldempfänger“

Auch der aus einer früheren Protestbewegung hervorgegangene bäuerliche Zusammenschluß „Land schafft Verbindung Deutschland“ (LsV) hat ein grundsätzliches Umsteuern gefordert. Dazu gehöre ein Verbot unlauterer Handelspraktiken, etwas des Einkaufs unter Produktionskosten. Auch müßten aus Gründen der Wettbewerbsgerechtigkeit künftig sämtliche Agrarimporte „zu hiesig vergleichbaren Sozial-, Umwelt- und Tierschutzkriterien produziert“ werden. Auf klare Ablehnung stößt der Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), einen „Bauern-Soli“ oder „Tierwohl-Cent“ einzuführen. „Die Bauern protestieren gegen eine Steuererhöhung und als Reaktion schlägt Herr Özdemir eine neue Steuer vor?!“ schreiben die LsV-Vertreter. Landwirte seien Unternehmer und wollten keine Transfergeldempfänger sein. Langfristig müsse es das politische Ziel sein, sämtliche Subventionen abzuschaffen. Voraussetzung dafür sei allerdings, daß zuvor „die nötigen gesetzlichen Möglichkeiten geschaffen wurden, um mit dem Erlös der landwirtschaftlichen Erzeugnisse betriebswirtschaftlich erfolgreich zu sein“.

Froh und dankbar ist man verbandsübergreifend bei den Landwirten hinsichtlich der breiten Unterstützung aus anderen Branchen und in weiten Kreisen der Bevölkerung. Vor allem Handwerker und Spediteure haben sich den Protesten gegen die Politik der Bundesregierung angeschlossen oder – wie vergangene Woche mit einer Lkw-Sternfahrt nach Berlin – eigene Aktionen gemacht. „Unserer Branche reicht es auch“, begründete dies der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, und nannte als Beispiel die jüngst erhöhte Lastwagen-Maut. Was die Kosten betreffe, sei die Branche am Limit, meinte auch ein Sprecher des Bundesverbandes Logistik und Verkehr gegenüber dem RBB-Inforadio. Es gehe den Unternehmern darum, auch zukünftig auf dem Markt zu überleben. Viele schriftliche Hilfeersuchen, etwa an die Bundesregierung, seien bisher unbeantwortet geblieben.  

Aber auch ohne Großkundgebungen oder riesige Konvois – klein beigeben wollen die Landwirte jedenfalls nicht. So plane etwa der Landesbauernverband Brandenburg nach Informationen des Branchendienstes Agrar heute, am Freitag die Parteizentralen von SPD, Grünen und FDP zu besuchen, um erneut ein Forderungspapier zu überreichen. „Die Bauernfamilien sind nicht bereit, das Nichtgehörtwerden hinzunehmen“, faßte DBV-Präsident Rukwied die Stimmungslage zusammen.