© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/23 - 01/24 / 22. Dezember 2023

Der Flaneur
Probleme vor dem Fest
Paul Leonhard

Es ist ein Kreuz mit der Adventszeit. Geradeso hat sich der Zweitkläßler durchgerungen, vorsichtshalber weiter an den Weihnachtsmann zu glauben. Da mögen die Klassenkameraden noch so glaubhaft versichern, daß das alles ein Märchen ist. Aber die kleine Schwester hat das stichhaltige Argument geliefert: Wenn er nicht an den Weihnachtsmann glaube, komme der „hundertpro“ nicht.

Und zeugt nicht der Alltag davon, daß es mit der Mär seine Richtigkeit haben muß? Schließlich ist überall der Weihnachtsmann anzutreffen, oder zumindest einer seiner Helfer, so genau weiß man das als kleiner Junge bei den vielen in den Einkaufs- und Weihnachtsmärkten herumwuselnden Rotbemantelten ja nicht. 

Und kleine Geschenke verteilt er schon jetzt. Auch neben dem blonden Weihnachts­engel auf einem Thron zu sitzen und sich fotografieren zu lassen, ist letztlich aufregend und schön.

Wenn der Vater die Zeichnung schon nicht erkennt, wie dann der Weihnachtsmann?

Das Problem ist aber der Wunschzettel. Den hat er nicht einfach wie seine Schwester gemalt, sondern vorsichtshalber auch noch mit krakeligen Buchstaben beschriftet. Denn wenn schon sein Vater nicht erkennen konnte, daß die Figur natürlich Spiderman darstellt, wie soll das dann der Weihnachtsmann wissen? 

Und für den Jungen ist auch klar, daß seine kleine Schwester nie und nimmer die erträumte Puppe mit ganz, ganz langen Haaren auf dem Gabentisch vorfinden wird. Denn der Alte mit dem weißen Bart weiß ja nicht, daß die Buntstiftzeichnung keine Barbie darstellt, sondern eine Art Rapunzel, der sie dann stundenlang die Haare kämmen will?

Deswegen steht also zusätzlich „Spiderman“ auf dem Zettel, sorgfältig so abgeschrieben, wie es seine Mutter vorgemalt hat und in jener Schönschrift, die sich die Klassenlehrerin immer von ihm wünscht. Nur leider hat er den Wunschzettel bei der Oma vergessen und er weiß nicht, ob ihn der Weihnachtsmann auch dort abgeholt hat. 

Und noch etwas anderes verunsichert. In einer Kindersendung wurde nicht nur gezeigt, daß die Wunschzettel an einem bestimmten Tag ins Feuer gelegt werden müssen, wo sie verbrennen und die Wunschfunken durch den Kamin in den Himmel fliegen, sondern auch, daß mitunter Wünsche auf dem Weg zum Weihnachtsmann verlorengehen. So viele Probleme also kurz vor Weihnachten. Kein Wunder, daß der Kleine sich in den Schlaf weint, ob am Heiligenabend alles glattläuft.