© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/23 - 01/24 / 22. Dezember 2023

Filmkritik … und nichts als die Wahrheit
Drama vor Gericht
Werner Olles

Als die unheilbar krebskranke Agnes Donat (Ingrid Andree) verstirbt, hinterläßt sie ihrem geschiedenen Mann, dem Chirurgen Stefan Donat (O. W. Fischer) testamentarisch ihr gesamtes Vermögen. Der ermittelnden Polizei und Staatsanwaltschaft erscheint dies um so merkwürdiger, weil Agnes das Testament kurz vor ihrem Tod zugunsten Stefans geändert hat. Die eigentliche Erbin sollte ihre junge Cousine Mingo Fabian (Marianne Koch) werden. Dann entdeckt man bei der Obduktion auch noch Giftspuren, und so gerät Donat in den Verdacht, seine Ex-Frau vorsätzlich getötet zu haben.

Während er von der Staatsanwaltschaft des Mordes angeklagt wird, beschließt Mingo auf Drängen ihres Lebensgefährten, des Rechtsanwalts Peter Bernburger (Herbert Tiede), das Testament anzufechten, da dieser durch eine Heirat selbst in den Genuß des Erbes kommen will. 

In der Gerichtsverhandlung kommen jedoch die wahren Hintergründe des Falls ans Licht. Donats Verteidiger motiviert seinen Mandanten, dem Gericht endlich die ganze Wahrheit der Tragödie zu erklären. Dieser sträubt sich zunächst, doch als Mingo ihren Prozeßgegner, in den sie sich längst verliebt hat, im Gefängnis aufsucht, erwacht Stefan endlich aus seiner Lethargie und klärt die Sachlage auf. Denn tatsächlich hat es sich so zugetragen, daß Agnes ihn bat, ihr das Gift zu besorgen, damit sie sich selbst von ihren Schmerzen und ihrem Leiden erlösen kann.

Franz Peter Wirths Kriminal- und Justizdrama „… und nichts als die Wahrheit“ (Bundesrepublik Deutschland 1958) ist ein Remake des deutschen Kriminalfilms „Der Fall Deruga“ aus dem Jahr 1938 von Fritz Peter Buch nach einem Roman von Ricarda Huch, dem einzigen Krimi, den die große Erzählerin und Kulturhistorikerin verfaßt hat. TV-Regisseur Wirth, der gemeinsam mit Heinz Oskar Wuttig auch das Drehbuch schrieb, gelang ein mit handwerklicher Sorgfalt und leisen, unaufdringlichen Dialogen inszenierter hochspannender Film, der auch psychologisch zu überzeugen vermag. Ein besonderes Lob gebührt dem charismatischen Hauptdarsteller O. W. Fischer, der zwar im Mittelpunkt des Dramas steht, sich aber auf eine sympathisch-bescheidene Art zurücknimmt. Beeindruckend ist auch das intensive Spiel von Marianne Koch und Ingrid Andree, die Kameraarbeit von Günther Senftleben und Werner Eisbrenners musikalische Untermalung des Melodrams.

DVD: … und nichts als die Wahrheit. Pidax Filmklassiker 2024, Laufzeit 98 Minuten