© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/23 / 15. Dezember 2023

Der Flaneur
Kranzler ade
Claus-M. Wolfschlag

Für ein kurzes Gespräch in Berlin schlage ich ein Treffen im ehemaligen Café Kranzler am Kurfürstendamm vor. Schon 1825 eröffnete der Wiener Zuckerbäcker Johann Georg Kranzler Unter den Linden seine erste Konditorei. Im West-Berlin der Nachkriegszeit wurde „Das Kranzler“ am Ku’damm als Caféhaus-Institution ein Wahrzeichen der Stadt.

Wir betreten das markante Gebäude im vollen Bewußtsein, daß dessen große Zeiten vorbei sind. Das historische Kaffeehaus schloß nämlich bereits im Jahr 2000, wurde dann im Obergeschoß bis 2015 als Café-Bar weiterbetrieben. Ab 2016 übernahm die britische Bekleidungskette Superdry das denkmalgeschützte Gebäude und verpachtete das Obergeschoß an die Berliner Kaffeerösterei The Barn.

Der asiatische Kassierer am Tresen spricht kein Deutsch und akzeptiert nur Kartenzahlung.

Mit dem Fahrstuhl fahren wir in die erste Etage, um dem Treppenaufstieg durch das Bekleidungsgeschäft mit lauter Musikbeschallung zu entgehen. Oben angekommen ist meine Enttäuschung unübersehbar. Ich hatte erwartet, daß der alte Charme vorbei war, nicht aber, daß es so schlimm würde. 

Zur Auswahl stehen niedrige Holzhocker oder hohe Barhocker, jeweils im plumpen Steinzeit-Design, ohne Lehne und Sitzkissen. Wir entscheiden uns für die unbequemen Barhocker, die keine Möglichkeit bieten, die Füße abzustellen. 

Gemütlich soll es den Besuchern jedenfalls hier nicht werden. Selbstbedienung ist gefragt, und ich ordere am Schalter. Als ich mit einem Geldschein zahlen will, wird mir „only card, please“ entgegnet. Ich frage, warum man nicht bar zahlen könne, denn das sei ein gesetzliches Zahlungsmittel. Der Asiate hinter der Theke schaut verständnislos: „I don’t understand. Can you speak English?“ 

Ich trage nochmals meine Frage vor, nun nicht in der Landessprache. „Because the company want’s it so“, bekomme ich als knappe Antwort. Ich zahle mit Karte, der Kaffee ist teuer und schmeckt schlecht. Mein Begleiter spricht abfällig von einem Lokal für „Anywheres“. Wir gehen und nehmen diesmal die Treppe mit der Diskomusik.