© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/23 / 15. Dezember 2023

Robust mit kurzem Lauf
Vor 100 Jahren wurde in Weimar der Erfinder der „Uzi“ geboren
Thomas Schäfer

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlangten zwei Handfeuerwaffenmodelle weltweite Bekanntheit und schließlich dann auch Kultstatus: die AK-47 von Michail Kalaschnikow und die Uzi von Uziel Gal. Letzterer wurde am 15. Dezember 1923 als Gotthard Glas in Weimar geboren und emigrierte später mit seinen Eltern über Großbritannien nach Palästina, wo die Familie sich 1936 im Kibbuz Jagur im Karmel-Gebirge bei Haifa niederließ. Dort entwickelte der Sohn eines deutschen Jagdfliegers aus dem Ersten Weltkrieg wachsendes Interesse an Pistolen und Gewehren.

Von 1943 bis 1946 wurde Gal von der britischen Mandatsmacht wegen illegalen Waffenbesitzes im Gefängnis von Akkon festgehalten. Anschließend versorgte er die zionistische Untergrundbewegung weiter mit selbst hergestellten Schußwaffen. Nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg begann der nunmehrige Leutnant Gal mit der Entwicklung einer Maschinenpistole für die Streitkräfte des jüdischen Staates nach tschechischen und britischen Vorbildern. Die Angehörigen der 1948 aufgestellten Zva ha-Hagannah le-Jisra’el (Armee der Verteidigung Israels beziehungsweise IDF für Israel Defense Forces) benötigten für ihre mobilen Patrouillen und Häuserkämpfe ebenso kompakte wie robuste Schnellfeuerwaffen. Weil die sogenannte Uzi mit ihrem extrem kurzen Lauf und einfachem Aufbau alle Anforderungen erfüllte, wurde sie ab 1951 bei der Truppe eingeführt, woraufhin Gal, der inzwischen lieber Orthopäde geworden wäre und heftig gegen die Namensgebung protestiert hatte, zum Hauptmann aufstieg.

Während der folgenden Kampfeinsätze avancierte die Uzi schnell zur absoluten Lieblingswaffe der IDF-Soldaten. Sie erlaubte aufgrund ihres relativ geringen Rückstoßes einhändiges Dauerfeuer auf engstem Raum und funktionierte auch sonst in praktisch jeder Situation. Allerdings besaß die simple Konstruktion einen Pferdefuß: Unter ungünstigen Umständen konnte sich selbst im gesicherten Zustand ein Schuß lösen. Dieser fatale Mangel wurde jedoch durch die schnelle Einführung der zusätzlichen Handballensicherung teilweise geheilt.

In Würdigung seiner Verdienste erhielt Gal 1958 den neu gestifteten Israel Defense Award aus den Händen von Ministerpräsident David Ben-Gurion. Hingegen konnte er keinen finanziellen Gewinn aus der Erfindung ziehen, obwohl die Uzi am Ende die bislang meistgebaute Maschinenpistole in der westlichen Welt werden sollte: Möglicherweise gelangten bis zu zehn Millionen Stück in Umlauf, womit der Hersteller Israel Military Industries (IMI) in Ramat haScharon wohl Einnahmen in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar erzielte.

Auf jeden Fall kam die Uzi bei den bewaffneten Kräften in über 90 Ländern der Erde zum Einsatz, darunter ab 1959 auch in der Bundesrepublik unter der Bezeichnung MP2 für die Variante mit Holzschaft und MP2 A1 für das Modell mit klappbarer Schulterstütze. Ebenso gab es bald noch zahlreiche Modifikationen der Waffe bis hin zur Mini-Uzi, Micro-Uzi und Uzi-Selbstladepistole. Diese kleineren Modelle mit einem noch kürzeren Lauf als die originale Uzi eigneten sich besonders gut für das verdeckte Tragen und kamen daher vor allem bei Spezialeinheiten des Militärs und der Polizei zum Einsatz. 

Gal, der sich später mehrmals erfolglos an der Konstruktion von modernen Sturmgewehren versuchte, verließ die israelische Armee 1975 im Range eines Obersten und wechselte in die private Sicherheitsbranche. Um seiner schwerkranken Tochter Tamar eine angemessene medizinische Behandlung zu ermöglichen, übersiedelte er 1976 in die USA, wo er erneut wieder an einer Handfeuerwaffe von revolutionärem Design arbeitete.

Vor deren Vollendung starb Gal dann aber am 7. September 2002 in Philadelphia an Krebs und wurde anschließend im Kibbuz Jagur bestattet, in dem er lange gelebt hatte. Im Jahr darauf musterten die israelischen Streitkräfte die Uzi offiziell aus. Bis dahin war sie vor allem noch von Fahrzeugbesatzungen und weiblichen Armeeangehörigen zum Zwecke des Selbstschutzes getragen worden. Heute verwenden die IDF-Soldaten in der Regel Sturmgewehre der israelischen Typen IMI Galil und Tavor TAR-21 sowie das US-amerikanische M16.