© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/23 / 08. Dezember 2023

Hannelore hätte gewollt, daß er weitersingt
Heino wird 85 und ist trotz des Todes seiner geliebten Ehefrau auf Kirchen-Tournee
Paul Leonhard

Sein großer Wunsch war, vor „meiner Hannelore von dieser Welt“ zu gehen. Doch das Schicksal hat es anders gewollt und Heinos geliebte Ehefrau ist am 8. November im Alter von 82 Jahren im österreichischen Kitzbühel gestorben. Die Fans in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder die Deutschen in Schlesien trauern mit dem Volkssänger und fragten sich bang, ob der 84jährige seine Kirchen-Tournee „Die Himmel rühmen“, die ihn durch 22 Städte in drei Ländern führen sollte, absagen würde. Inzwischen gibt es gute Nachrichten. Heino hat die Kraft zum Weitermachen gefunden und widmet die Tour jetzt seiner verstorbenen Frau. Sie war es, die sich 2009 anläßlich des 30. Hochzeitstages ein Kirchenkonzert gewünscht hatte.

Für den Musiker selbst seien die Auftritte hilfreich, sagt Manager Helmut Werner. „Heino möchte unbedingt auf die Bühne zurückkehren, weil Hannelore gewollt hätte, daß er weitersingt.“ Und er brauche „jetzt die Zuneigung, den Trost und die Anteilnahme seiner Fans, um seinen unermeßlichen Schmerz zu lindern.“

Das Bundesverdienstkreuz möchte er gar nicht unbedingt

Geradezu symbolhaft ist, daß Heinos erstes Konzert am 24. November in der Dresdner Kreuzkirche stattfand. Jenes Gotteshaus am Altmarkt, in dem sich die Friedensbewegung der DDR formierte, um in einer leisen, aber wirkmächtigen Demonstration zur Ruine der Frauenkirche zu ziehen und dort Kerzen zu entzünden. Dresden war es auch, wo der Sänger, der in der DDR wie auch in Polen verboten war, kurz nach dem Sturz des SED-Regimes von Tausenden Fans begeistert gefeiert wurde. Heino war seinerzeit selbst überrascht von der riesigen Gemeinschaft, die seine Lieder bisher nur aus dem Westradio kannte, trotzdem textsicher mitsang und ihm – besonders im niederschlesischen Görlitz, in Breslau und im oberschlesischen Oppeln – das Riesengebirgslied und das Schlesierlied abverlangte.

Heino hat in sechs Jahrzehnten Bühnenerfahrung das Kunststück vollbracht, sich gleichzeitig treu zu bleiben und sich doch immer wieder neu zu erfinden. Schlagzeilen begleiteten den Sänger stets, so als er das Deutschlandlied in allen drei Strophen einschließlich des Refrains „Deutschland, Deutschland über alles“ auf Schallplatte aufnahm. 1997 weigerte sich der Männerchor in Falkensee bei Berlin, zusammen mit Heino aufzutreten, falls er darauf bestünde, das Schlesierlied zu singen. Die braven Brandenburger fürchteten des Revisionismus beschuldigt zu werden und um ihre Beziehungen zu polnischen Partnerchören.

In Görlitz intervenierte 2014 der Gemeindekirchenrat erfolgreich, weil Heino auch zwei Songs von Rammstein und den Ärzten singen wollte. Dabei hatte der Sänger gerade für seine Cover-Version des Rammstein-Hits „Sonne“ viel Zustimmung erhalten. Im Dezember desselben Jahres coverte Heino sich selbst mit dem Album „Schwarz blüht der Enzian“, in dem er seinen Songs ein rockiges Gewand verlieh – und der Stilwechsel funktionierte. Im September 2023 erbrachte er mit dem Album „Lieder meiner Heimat“, das die legendärsten Partylieder der letzten zwanzig Jahre enthält, also quasi die Volkslieder der jungen Generation, den Beweis, daß er inzwischen zur generationenübergreifenden Kultfigur im deutschsprachigen Raum geworden ist. Schon dafür müßte die Volksmusik-Legende, die jetzt am 13. Dezember 85 Jahre alt wird, das Bundesverdienstkreuz verliehen werden. Aber die Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen, wo der Antrag gestellt wurde, lehnte trotz prominenter Fürsprecher wie Wolfgang Bosbach (CDU), Gregor Gysi (Linke) und Dieter Hallervorden ab. Nach Abstimmung mit dem Bundespräsidialamt seien im Fall Heinos „die Voraussetzungen für eine solche staatliche Auszeichnung nicht erfüllt“.

Vielleicht fürchtete das Bundespräsidialamt, Heino könnte das Verdienstkreuz bei nächster Gelegenheit zurückgeben, wie er es vor zehn Jahren mit dem ihm 1990 verliehenen Bambi getan hatte, nachdem „einem gewalttätigen Kriminellen wie Bushido“ ebenfalls der Bambi verliehen worden war: „Mit diesem Mann möchte ich nicht auf eine Stufe gestellt werden.“ Ähnliches äußerte er jetzt, von Bild zur Nichtverleihung des Bundesverdienstkreuzes befragt: „Wenn ich sehe, wer diese Auszeichnung in Deutschland alles bekommen hat, inklusive verurteilter Steuerbetrüger, will ich sie gar nicht mehr haben und mich mit diesen Leuten auf eine Stufe stellen.“ Heino: „Meine Fans und Freunde wissen, was ich für dieses Land getan habe, dafür brauche ich nicht dieses befleckte Blech am Revers.“

Gassenhauer wie „Blau blüht der Enzian“, „Caramba, Caracho“, „Die schwarze Barbara“ oder „Schwarzbraun ist die Haselnuß“ werden auf der aktuellen Tournee nicht zu hören sein, sondern Kirchenlieder wie das „Ave verum Corpus“ von Mozart, Beethovens „Die Himmel rühmen“, Schuberts „Ave Maria“ und Brahms „Guten Abend, gute Nacht“. Auf ein Lied verzichtet Heino aus Gründen der Pietät. „Schön ist es, auf der Welt zu sein“, wird nicht zu hören sein, auch wenn die norwegische Sopranistin Anita Hegerland, die ihn in den kommenden Wochen begleitet, den Song als kleines Kind gemeinsam mit Roy Black gesungen hat.