© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/23 / 20. Oktober 2023

Mit dem kaputten Akkordeon spielen
Die US-Philosophin Susan Neiman scheitert kläglich, die Linke zu retten
Florian Werner

Susan Neiman wollte einmal in ihrem Leben kein akademisches Buch schreiben. Nur ein einziges Mal! Doch was sich für die meisten Leser und auch für den Rezensenten recht einfach anhört, endete für die amerikanische Philosophin in einem schriftstellerischen Auffahrunfall. Denn mit „Links ist nicht woke“ hat die Leiterin des Einstein- Forums in Potsdam ein Buch vorgelegt, das akademisch und unakademisch zugleich ist. Und zwar nicht im Sinne einer aufregenden Mischung, sondern vielmehr so, als würde man den „Türkischen Marsch“ von Mozart auf einem kaputten Akkordeon spielen, während man die Treppe herunterfällt. 

Der Anspruch des knapp 166 Seiten langen Essays scheint der zu sein, die politische Linke an ihr aufklärerisches Erbe zu erinnern: Also Universalismus statt Partikulardenken, Fortschrittsglauben statt Geschichtsverdruß und Gerechtigkeitsdrang statt Machtfetisch. Nur hat die Linke wirklich Aktien an der Aufklärung? Das ist egal. So wie vieles andere auch in diesem Buch, in dem alles schon abgemacht ist und keine Frage mehr offenbleibt. Über Politik redet die Autorin Neiman dabei erstaunlicherweise fast nie. Dafür finden sich viele Pauschalurteile zur Philosophiegeschichte, ganz so als wären Linke ein Haufen Erstsemester. Martin Heidegger? Ein Nazi. Carl Schmitt? Sowieso. Michel Foucault? Ein Nihilist. Wir spulen noch einmal zurück: „Dies ist kein akademisches Buch.“ Hat Susan Neiman ihr Ziel verfehlt? Keineswegs. Denn derart albern kann man sich nicht einmal als Student der Quatschuniversität in seiner Hausarbeit zum Thema „Sätze, die komisch klingen“ äußern. Links ist nicht woke, meint Neiman. Wer ihr Buch liest, kommt jedoch unfreiwillig zu dem Schluß, daß Links vor allem nicht mehr ernst zu nehmen ist. 

Die Rückfrage bietet sich an, welches Links die Amerikanerin da überhaupt meint. Einfach nur das Links von Rechts? Oder etwa das Links in Linksradikal? Oder sogar das Links in „linksum Rückzug!“? Daß ihr womöglich eine Linke wie in „zwei Linke Hände haben“ vorschwebt, dafür spricht, daß Neiman in der Grundwertekommission der SPD arbeitet. Also für eine Partei, die nicht gerade für ihre kommunistischen, anarchistischen und revolutionären Umtriebe bekannt ist, sondern sich vielmehr schon seit Jahren als schlechtes Linksimitat durch die eigene politische Existenz wurstelt. 

Susan Neiman: Links ist nicht woke.  Hanser Literaturverlage Berlin 2023, gebunden, 166 Seiten, 22 Euro