© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/23 / 20. Oktober 2023

Die übelsten Typen in der Karibik
Im Oktober 1983 eroberten die USA den Inselstaat Grenada, um ein „neues Nicaragua“ im Commonwealth-Staat zu verhindern
Jürgen W. Schmidt

Der Inselstaat Grenada der Kleinen Antillen mit seinen 1980 etwa 85.000 Bewohnern vorwiegend afrikanischer und indischer Herkunft gehört zum Commonwealth. 1974 wurde die Insel unabhängig. 1979 putschte sich in einer nahezu gewaltfreien Aktion die „New Jewel Movement“ des marxistischen Rechtsanwalts Maurice Bishop an die Macht, welche bald mit der Sowjet-union, vor allem aber mit dem Regime von Fidel Castro in Kuba enge wirtschaftliche und politische Beziehungen aufnahm. 

Die USA sahen hier ein neues Nicaragua heranreifen und griffen deshalb zum üblichen Instrumentarium, um diese Entwicklung zu blockieren. Man verwanzte 1979 die Vertretung von Grenada bei den Vereinten Nationen und verbreitete frei erfundene Behauptungen, auf Grenada würden eine sowjetische U-Bootbasis sowie Militärflughäfen errichtet und die grenadische Mini-Armee von 1.200 Mann mit sowjetischer Militärtechnik hochgerüstet. Auf Grenada spitzte sich im Oktober 1983 die innenpolitische Lage zu, innerparteiliche Konkurrenten stürzten den Revolutionsführer sowie grenadischen Ministerpräsidenten Bishop, dessen Exekution am 19. Oktober erfolgte. 

Reagan ließ Thatcher im unklaren über den US-Einsatz auf Grenada

Daraufhin bat der aus Grenada stammende britische Generalgouverneur Paul Scoon die USA unter Präsident Ronald Reagan gegen den ausdrücklichen Willen der britischen Premierministerin Margaret Thatcher um bewaffnetes Eingreifen gegen eine sich abzeichnende marxistische Diktatur. Zwar bezeichnete Reagans Sprecher Larry Speakes noch am Vortag der Invasion alle Spekulationen über eine mögliche US-Invasion in Grenada als „absurd“. Ebenso ließ Präsident Reagan Premierministerin Thatcher bewußt falsch informieren, denn zu diesem Zeitpunkt liefen die geheimen US-Invasionsvorbereitungen schon auf Hochtouren. Die CIA bereitete eine Ministerliste der neuen grenadischen Regierung vor, welche nach Einschätzung von US-Diplomaten „die übelsten Typen der Karibik“ umfaßte. 

Gleichzeitig holte man insgeheim die politische Organisation ostkaribischer Staaten OECS, namentlich Barbados, Jamaika und die Dominikanische Republik auf die Seite der USA, indem man die Bedeutung eines durch Hunderte kubanischer Arbeiter im Bau befindlichen Großflughafens und die angebliche Gefahr für mehrere hundert ausländische Medizinstudenten auf Grenada gewaltig übertrieb. Am 25. Oktober 1983 landeten die 82. US-Luftlandedivision sowie zwei Rangerbataillone in Stärke von 7.000 Mann nebst 300 karibischen Verbündeten auf Grenada und besetzten in viertägigen Kämpfen die gesamte Insel. Die grenadischen Streitkräfte und die etwa 700 (bewaffneten) Kubaner erlitten Verluste in Höhe von 70 Toten und 400 Verwundeten. Die US-Verluste betrugen 19 Tote und knapp 120 Verwundete. Zudem wurden neun amerikanische Hubschrauber abgeschossen. US-Kampfflugzeuge bombardierten irrtümlich eine psychiatrische Klinik, wobei zahlreiche Patienten umkamen. 

Grenada ist heute immer noch Commonwealth-Mitglied mit König Charles III. als Staatsoberhaupt. Der britische Unwillen über die US-Invasion hat sich mittlerweile gelegt. Grenada verfügt über keine eigene Armee mehr und hat seine Verteidigung völlig in die Hände der USA gelegt.