© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/23 / 06. Oktober 2023

Aufgeschnappt
Linke Traumzeit an der Förde
Matthias Bäkermann

Schleswig-Holstein kann weder mit Eukalyptusbäumen protzen, noch treiben dort Termiten ihr Unwesen. Die von diesen Insekten im Kernholz ausgehöhlten Äste dienen nämlich den Aborigines als Instument, um damit den roten Kontinent mit ihren brummenden Traumzeitlegenden zu beschallen. Insofern hat das linke „Fahrrad Kino Kombinat“ recht, wenn es nun das Konzert des Künstlers Tom Fronza absagt. Dieser gilt zwar als Könner auf dem Didgeridoo, dessen Handhabung er sogar einige Jahre im Outback bei den australischen Ureinwohnern erlernte, aber für die Maßstäbe am städtisch finanzierten Kieler Kulturzentrum „Alte Mu“ reicht das eben nicht aus. Denn Fronza, wohnhaft im westfälischen Herford, dessen exotische Wurzeln über das Trientiner Etschtal nicht hinausreichen, erfüllt für die identitätspolitischen Kulturwächter an der Förde nicht die erforderlichen Rassekriterien. Wie die Kieler Nachrichten am 1. Oktober meldeten, sei das mündlich zugesagte Konzert Mitte des Monats kurzerhand „wegen kultureller Aneignung“ abgesagt worden. Fronza sieht in dieser „kulturellen Bevormundung schlecht informierter Ordnungsbeamter der Alternativszene“ wiederum selbst eine „Aneignung sondergleichen“.