© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/23 / 29. September 2023

Für Frieden oder Fleischverzicht
Landtagswahlen: In Bayern und Hessen treten wieder „sonstige“ Parteien an. Das Feld hat sich neu sortiert
Christian Schreiber

Nächste Woche werden in Bayern und Hessen neue Landtage gewählt. Neben den im Bundestag vertretenen Parteien sowie den in Bayern an der Regierung beteiligten Freien Wählern treten in beiden Bundesländern zahlreiche kleinere Vereinigungen an, denen es primär darum gehen dürfte, zumindest die Einprozentmarke zu erreichen, um in den Genuß der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung zu kommen. 

Ein Blick auf diese als „Sonstige“ zusammengefaßten Parteien lohnt sich auch unter dem Aspekt, wer nicht auf dem Wahlzettel stehen wird. Aufstieg und Etablierung der AfD haben offenkundig zu einer Flurbereinigung im Spektrum rechts der Mitte geführt. Waren Landtagswahlen früher ein regelrechtes Schaulaufen für Parteien in diesem Milieu, so agiert hier die AfD nunmehr weitgehend konkurrenzfrei. Die älteste noch existierende deutsche Rechtsaußenpartei, die NPD, die sich seit kurzem „Die Heimat“ nennt, verzichtet in beiden Ländern auf einen Antritt; genauso wie das neugegründete liberalkonservative Bündnis Deutschland. 

Dafür steht die aus dem Umfeld der sogenannten „Querdenker“ stammende Partei Die Basis auf beiden Stimmzetteln. In Bayern hat sie es sogar geschafft, in allen sieben Regierungsbezirken die erforderlichen Unterstützungunterschriften zu sammeln. Insgesamt soll die Partei bundesweit mehr als 20.000 Mitglieder haben. Zentrale Forderung im Wahlprogramm ist die Teilhabe an politischen Entscheidungen, die mit Blick auf die Corona-Maßnahmen nicht mehr „von oben nach unten“ diktiert werden sollen. 

In Bayern stehen insgesamt 15 Parteien und Vereinigungen zur Wahl, neben den „Etablierten“ haben es nur Die Basis, die ÖDP sowie die regionalistische Bayernpartei in allen Bezirken auf den Stimmzettel geschafft. Die beiden letztgenannten Parteien erzielten vor fünf Jahren Ergebnisse von 1,6 beziehungsweise 1,7 Prozent und profitierten dadurch von der Wahlkampfkostenerstattung. Das Erreichen dieser Marke haben sie sich auch diesmal als Ziel gesetzt. In vier Bezirken steht die „V-Partei hoch 3“ (Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer) zur Wahl, die laut eigener Aussage auf die globalen Zusammenhänge und Auswirkungen von Wachstum, Konsum und Eßverhalten eingeht. In drei Bezirken wählbar sind die Tierschutz-Partei sowie die pro-europäische Bewegung Volt, die im Westen und Norden der Republik einige kommunale Mandate erringen konnte, im Freistaat aber offenkundig Anlaufschwierigkeiten hat. 

Die Satiretruppe „Die Partei“ hat es nur in zwei Bezirken geschafft, ebenso die Partei der Humanisten. Ihre Selbstbeschreibung folgt den drei Schlagwörtern „rational, liberal und fortschrittlich“. Die PdH stellt in ihrem Leitbild den Menschen in den Mittelpunkt. Im Freistaat verfügt sie über lediglich 300 Mitglieder, viel zu wenig für einen aussichtsreichen Wahlkampf. Während in Bayern lediglich die Frage offen ist, ob es die FDP in den Landtag schafft, gibt es in Hessen eine weitere Unwägbarkeit. 

Beflügelt durch die Aiwanger-Affäre und den gestiegenen bundesweiten Bekanntheitsgrat schielen die dortigen Freien Wähler auf eine Überraschung. Nach Ansicht des Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten Engin Eroglu haben die FW „als ideologiefreie Partei der Mitte die Chance, Volkspartei zu werden“. In jüngsten Umfragen lagen sie zwischen drei und vier Prozent. Wie chancenreich die Parteiführung den Antritt in Hessen einschätzt, zeigt die Tatsachse, daß der bayerische Wirtschaftsminister und FW-Bundesvorsitzende Hubert Aiwanger trotz seiner Verpflichtungen im Freistaat auch in Hessen Termine wahrnahm. 

Aufgrund des einfacheren Wahlrechts in Hessen ist dort das Gedränge auch größer. Insgesamt 21 Landeslisten wurden zur Wahl zugelassen. CDU, Grüne, SPD, AfD, FDP, Linkspartei und Freie Wähler treten in allen 55 Landtagswahlkreisen mit Bewerbern an, was für eine flächendeckende Verankerung spricht. Neben der Tierschutzpartei, ÖDP,  der V-Partei hoch 3, Volt sowie „Die Partei“ treten in Hessen auch die Piraten am Sonntag nächster Woche an. 2013, als der große Höhenflug bereits vorbei war, erreichten sie immerhin noch 1,9 Prozent; fünf Jahre später waren es lediglich 0,4. 

In Hessen versuchen’s die Kommunisten noch einmal

Ein Comeback feiert in Hessen die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD), die vor Jahren mit der Forderung „Freibier für alle“ auf sich aufmerksam gemacht hatte. Auf mehr als 50 Jahre – weitgehend erfolglose – Politikerfahrung kann die Deutsche Kommunistische Partei zurückblicken. Die DKP bezeichnet sich als eine „Partei der Arbeiterklasse“, die sich in der Tradition von Marx, Engels und Lenin sieht und eine kommunistische Gesellschaft aufbauen will. In Hessen, wo der Landesverband nur wenige hundert Mitglieder haben soll, trat sie zuletzt 2003 an und erreichte lediglich 0,2 Prozent der Stimmen. Kurioserweise gab es vor einigen Jahren noch Ausnahmen, die zumindest bei Kommunalwahlen als Hochburg der Alt-Kommunisten gelten, etwa das südhessische Reinheim bei Darmstadt oder Mörfelden-Walldorf bei Groß-Gerau.

Um die Stimmen radikaler Umweltschützer buhlt die Klimaliste, die mit der Biologin Claudia von Eisenhart-Rothe als Spitzenkandidatin ins Rennen geht. Sie verfügt aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit für die Naturschutzorganisation BUND durchaus über einen regionalen Bekanntheitsgrad. 

Echte Neulinge findet man in Hessen auch. Die „Aktion Bürger für Gerechtigkeit“ (ABG) wurde im Juli 2020 gegründet und nimmt zum ersten Mal überhaupt an einer Landtagswahl teil. Die Partei ordnet sich selbst keinem politischen Lager zu und steht nach eigenen Angaben für eine „Politik des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit und des Fortschritts“.

Markige Worte findet „Die neue Mitte“, die von dem ehemaligen ARD-Journalisten Christoph Hörstel gegründet wurde. Der Politikwissenschaftler gilt Kritikern mittlerweile als Verschwörungstheoretiker. Seine Partei möchte „den politischen Neubeginn“  und fordert das Ende aller Rußland-Sanktionen sowie eine palästinensische Ein-Staaten-Lösung.