© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/23 / 22. September 2023

Blick in die Medien
Das Muskelemoji gibt den Ton an
Boris T. Kaiser

Der Youtube-Kanal „Historical Speeches TV“ schreibt: „Unser Ziel ist es, ein besseres Verständnis für politische Ereignisse und Persönlichkeiten zu fördern und gleichzeitig interessante Diskussionen zu ermöglichen.“ Diese sollen allerdings, wie ein kurzer Blick auf die dort gezeigten Videos offenbart, vor allem auf Reden von AfD-Politikern aufbauen. Die etwas zu durchsichtige „Anti-Mainstream-Rhetorik“ – mit zum Teil Hunderttausenden Klicks – ist auf der Videoplattform längst kein Einzelfall mehr.

Der Kanal „TimeLens“ nimmt für sich in Anspruch, eine „vielfältige Auswahl an Inhalten, die historische Ereignisse, einflußreiche Persönlichkeiten und entscheidende politische Reden“ zu präsentieren. Ob tatsächlich jede dort präsentierte Rede von Erika Steinbach oder Stephan Brandner diese hohen Ansprüche erfüllt, ist jedoch fraglich.

Genauso, ob das angebliche Ziel des Kanals „FreiSprech“, „etwas Witz und Humor in das Thema Politik reinzubringen“, mit Videotiteln à la „Anton Hofreiter blamiert sich mal wieder bis in die Knochen!“ oder „Alice Weidel entlarvt während Interview die Lügen der Moderatorin!“ wirklich erreichbar ist, wenn die Clipnamen jedem sofort klarmachen, mit wem hier über wen gelacht werden soll.

Für die einen wichtiges Gegengewicht zum Mainstream, für andere unangenehmes Clickbaiting.

Die „Bombenstimmung“, die hier erzeugt werden soll, zeigt sich übrigens nicht nur in Worten und Ausrufezeichen, sondern auch in unzähligen Flammen-, Deutschlandfahnen- und Blaulicht-Emojis, die die Clips verzieren.

So auch auf „Kontrovers“, ein Kanal, der mit Titeln wie „Bombenenthüllungen! Alice Weidel zerlegt Habeck in seine Einzelteile!“ oder „Wagenknecht läßt es Krachen! Grüne Doppelmoral komplett entlarvt!“, auftrumpfen will.

Über Wirkung und Nutzen solcher Kanäle läßt es sich auch unter „Gleichgesinnten“ trefflich streiten. Während die einen neben Reichweite darin wichtige Gegengewichte zum medialen Mainstream sehen, fühlen sich andere – zumindest von der Aufmachung – unangenehm berührt an monetär motiviertes Clickbaiting erinnert und betrachten das Ganze eher als „peinlichen Boomer-Content“ für die #NurNochAfD-Fraktion und heimatlos gewordene Altlinke.