© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/23 / 22. September 2023

Grüße aus … Santiago de Cuba
Widerstand ist zwecklos
Alessandra Garcia

Glaubt man der kanadischen Regierung ist Havanna eine Kriminalitätshochburg und Kuba insgesamt ein einziger Sündenpfuhl. In Bars könnten Prostituierte, auch Minderjährige, sehr hartnäckig und aufdringlich gegenüber Touristen sein, selbst wenn diese jegliche Annäherungsversuche ablehnen, heißt es aktuell in einem Reisehinweis des Außenministeriums. Kanadier seien bereits von Liebesmädchen ausgeraubt worden. Und auch alleinreisende Frauen sollten einen großen Bogen um die Insel machen. Sie seien nicht einmal in den Tourismushochburgen vor sexuellen Belästigungen und Übergriffen sicher. Dazu kämen Kleinkriminalität wie Taschendiebstahl auf Märkten und in Nachtclubs sowie Diebstähle aus Hotelzimmern und Autos. Und „wenn Sie von Räubern bedroht werden, leisten Sie keinen Widerstand“.

Wer davon noch immer nicht abgeschreckt ist, muß nur weiterlesen. Das Internet werde immer wieder seitens der Behörden blockiert, die Notfall- und Ambulanzdienste seien begrenzt. Dringend wird empfohlen, eigene Medikamente in ausreichender Menge mitzubringen und sich vor durch Mücken übertragenen Krankheiten wie Chikungunya, Dengue und Zika zu schützen. Überdies seien die Straßen in einem schlechten Zustand, Benzin kaum zu bekommen. Einige Reisende seien mit ihren Mietwagen sogar im nirgendwo gestrandet.

Kubas Touristenhochburgen am Meer sind für Kanadier das, was für die Deutschen Mallorca ist. 

Nun sind Kanadier im Gegensatz zu Europäern bisher kaum dadurch aufgefallen, kreuz und quer über die Insel zu reisen, um Kuba bis ins Letzte zu erkunden. Im Gegenteil: Sie buchen meistens all inclusive und verlassen so gut wie nie die Hotelanlagen. Varadero und die anderen Touristenhochburgen am Meer sind für sie das, was für die Deutschen Mallorca ist. Orte, um entweder alle vier von sich zu stercken  oder mal richtig die Sau rauszulassen. Schließlich sind es nur dreieinhalb Flugstunden aus dem kalten Kanada bis in die feucht-schwüle Hitze Kubas.

1,3 Millionen Kanadier machten vor der Corona-Pandemie alljährlich diesen Abstecher. Aktuell waren es einschließlich Juli etwas mehr als 630.000 von insgesamt 1,5 Millionen ausländischen Besuchern. Kanada ist damit der wichtigste Markt für den kubanischen Tourismus, was vor allem dem großen Nachbarn, den USA, ein Dorn im Auge ist. Denn Washington tut alles, um den Tourismus als Devisenbringer der maroden Insel auszutrocknen. Die Reisewarnungen „höchste Vorsicht“ dürften ein Freundschaftsdienst gegenüber Washington sein. Aber die kanadischen Stammgäste wissen ohnehin, daß sie gut beraten sind, grundlegende Dinge wie Toilettenartikel und Medikamente mitzunehmen. Auf den ebenfalls vorgeschlagenen Vorrat an Lebensmitteln und Wasser dürften sie verzichten. Denn wichtiger ist in Sachen Notfallvorbereitung zu wissen, wo in der Hotelanlage die 24-Stunden-Bar ist.