© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/23 / 22. September 2023

„Vermutlich hätte es Tote gegeben“
Krawalle: Nur mit Mühe kann Stuttgarts Polizei gewalttätige Eritreer in Schach halten, die gegen ihre regimetreuen Landsleute protestieren
Peter Freitag

Für Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) steht eines fest: „Die Polizei hat ein Blutbad verhindert.“ Wären die beiden rivalisierenden Gruppierungen direkt aufeinandergetroffen, „hätte es vermutlich Tote gegeben“, resümierte der Ressortchef, als er sich zu Beginn dieser Woche vor Ort ein Bild der jüngsten Geschehnisse in der Landeshauptstadt machen wollte.

Etwa 200 junge Männer aus Eritrea, von denen laut Behördenangaben die überwiegende Mehrheit Asylberechtigte sind oder in Deutschland subsidiären Schutz genießen, hatten am vergangenen Wochenende versucht, eine im Stuttgarter Römerkastell stattfindende Veranstaltung von Anhängern des eritreischen Diktators Isaias Afewerki zu sprengen. Als am frühen Samstagnachmittag die Situation eskalierte, mußten die zum Schutz der regimetreuen Veranstaltung eingesetzten Polizisten Verstärkung anfordern. Am Ende waren neben Einheiten der Bereitschaftspolizei auch die Reiterstaffel sowie ein Polizeihubschauber im Einsatz. 

„Was für ‘Oppositionelle’ gehen auf unsere Polizisten los?“

Die jungen Eritreer, die sich der Opposition zurechnen und offensichtlich teilweise aus dem europäischen Ausland angereist waren, hätten sich spontan mit Holzlatten, Stöcken und Eisenstangen bewaffnet. Es seien außerdem Steine, Flaschen sowie Sitzmöbel einer benachbarten Eisdiele auf die Polizisten geworfen worden. Sie habe plötzlich eine „Wand von Steinen“ auf sich zukommen sehen, berichtete anschließend eine eingesetzte Beamtin. 31 Polizisten sind offiziellen Angaben zufolge verletzt worden. Zwei Beamte erlitten schwere Prellungen und Schürfwunden und sind dienstunfähig, sechs Polizisten mußten zur Behandlung ins Krankenhaus.  

Die Polizei konnte die Identität von 228 Tatverdächtigen feststellen, eine gesonderte Ermittlungsgruppe, die mit dem Sonderstab „Gefährliche Ausländer“ und dem Landeskriminalamt (LKA) zusammenarbeiten soll, ist inzwischen eingerichtet. Strobl betonte beim Termin vor Ort, daß schwerer Landfriedensbruch mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft wird. Der Minister wie auch der zuständige stellvertretende Stuttgarter Polizeipräsident Carsten Höfler wiesen den Vorwurf zurück, man habe im Vorfeld das Konflikt- und Gewaltpotential angesichts ähnlicher Krawalle in Gießen im Juli (JF 29/23) falsch eingeschätzt.

Parteiübergreifend wurden die Ausschreitungen verurteilt. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Manuel Hagel, sagte, die mutmaßlichen Täter hätten ihr Recht auf Schutz und Zuflucht verwirkt und müßten sofort ausgewiesen werden. Hagel forderte, „notfalls“ die Novellierung des Aufenthaltsgesetzes zu prüfen. „Warum dürfen sich Unterstützer der Diktatur in Eritrea in Stuttgart versammeln? Und was sind das für ‘Oppositionelle’, die auf unsere Polizei losgehen?“ fragte rhetorisch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), der als direkt gewählter Stuttgarter Abgeordneter im Bundestag sitzt. 

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin betonte: „Wir wollen nicht, daß innereritreische Konflikte nach Deutschland getragen werden. Diese Position kennt auch der eritreische Gesandte.“ Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag, Daniel Lindenschmid, warf dem Innenminster vor, den „vollständigen Kontrollverlust zu verschleiern“. 

Unterdessen kündigte der regimetreue Zentralrat der Eritreer in Deutschland an, dieses Wochenende erneut ein „Seminar“ abzuhalten.