© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/23 / 15. September 2023

CD-Kritik: Franz Schubert, Konstantin Krimmel
Zweierlei Manieren
Jens Knorr

Seiner Aufnahme von Franz Schuberts Liederzyklus „Die Schöne Müllerin“ aus dem Jahre 1980 legte der lyrische Tenor Peter Schreier die bei Diabelli gedruckte Ausgabe zugrunde, die all die Varianten enthielt, wesentliche und unwesentliche Manieren, mit denen der Sänger Johann Michael Vogl die Lieder einstmals vorgetragen hatte.

Wie jeden Sänger – und manche Sängerin auch – drängt es den deutsch-rumänischen Bariton Konstantin Krimmel zum Allerheiligsten der deutschen Liedkunst, den drei Liederzyklen Franz Schuberts. Gleichwohl enthüllt es sich nicht jedem gleich. Viel zu viele Sänger können nur singen, dieser hier weiß singend zu erzählen und Verzierungen klug einzuschließen.

Aber lediglich Depression und Todeswunsch poetisch-musikalisch umzusetzen, die entständen, weil der sensible Müllerbursche auf der Walz das Männerbild eines Jägers mit struppigem Haar, kläffenden Hunden und Büchse nicht erfüllen könne, ist für die Müller-Lieder zu wenig. Schubert potenziert die Aussage der Gedichte nicht einfach, sondern hebt persönliches in gesellschaftliches Leid, dem sich Krimmel und Pianist Daniel Heide noch nicht zu stellen bereit scheint. Das existentielle Außenseitertum des Burschen auf dessen psychische Disposition abzuschieben, schließt das franziseische Biedermeier nahtlos an bundesdeutsche Gegenwart an. Verkürzt aber auch die wesentlichen zu unwesentlichen Manieren. Diese Einspielung, eine Momentaufnahme, darf nicht Krimmels letztes Wort in Sachen Schubertsche Liederzyklen bleiben.

Franz Schubert Die schöne Müllerin AlphaClassics 2023

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