© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/23 / 25. August 2023

Keine Lastzüge ohne Dieselmotor
Klima-Maut: Spediteure sollen für die Straßeninvestitionen bezahlen und gleichzeitig auch die Deutsche Bahn sanieren
Paul Leonhard

Die vom Bundeskabinett beschlossene Lkw-Mauterhöhung „widerspricht einer verläßlichen Politik“. Darin sind sich die Chefs der Wirtschaftsvereinigung Metalle, der Papierindustrie, des Außenhandelsverbandes BDA, des Bundesverbandes Agrarhandel, des Vereins der Getreidehändler und der Bundesverband Baustoffe einig. Im Gegensatz zur Ampelregierung wissen sie noch, was im Koalitionsvertrag steht: die Zusage, daß bei der neuen Lkw-Maut Doppelbelastungen durch den CO2-Preis ausgeschlossen werden.

Aktuell steht das Gegenteil im „Dritten Gesetz zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften“ im Bundestag zur Abstimmung. Deswegen haben die Hauptgeschäftsführer einen Brief an die Mitglieder des Verkehrsausschusses geschrieben. Gefordert wird, den Mautaufschlag mit den CO2-Abgaben „unbürokratisch zu verrechnen“ und – ausgehend vom Gebührensatz von 200 Euro je Tonne CO2 – diesen ab 2024 um 45 Euro zu reduzieren.

Es gebe aber keinen Ansatz, diese Doppelbelastung zu vermeiden, kritisiert das Institut der deutschen Wirtschaft (IW-Kurzbericht 48/23). Dazu kommt das „ungewöhnliche“ Einführungsdatum der Maut zum 1. Dezember 2023, das bei den betroffenen Transportfirmen für zusätzlichen Umstellungsaufwand sorgt. Ebenso wenig bewirkte die „Rote Karte“, die der Bundesverband Güterkraftverkehr (BGL) in einer Social-Media-Kampagne symbolisch der Ampel-Regierung gezeigt hatte.

Der Bundesrat mahnte in seiner Stellungnahme vom 7. Juli lediglich, bei der ab Juli 2024 geltenden Mautpflicht für Transporter ab 3,5 Tonnen Wettbewerbsnachteile für Firmen in den Flächenländern zu vermeiden: „Ländliche Räume dürfen nicht abgehängt werden.“ FDP-Verkehrsminister Volker Wissing argumentiert, mit der Maut setze die Regierung einen „Anreiz für die Branche, auf klimafreundliche Fahrzeuge umzusteigen“, denn Nutzfahrzeuge verursachen „ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen im Verkehr“. Das IW Köln glaubt hingegen, daß der Bund so „eine Ko-Finanzierung für die Bahn gesucht und gefunden hat“. Denn die zusätzlichen Mauteinnahmen von 30 Milliarden Euro sollen „ganz überwiegend“ in die Schiene fließen. Sprich: Die Spediteure sollen für die defizitäre Deutsche Bahn AG geradestehen.

Bisher flossen die Einnahmen aus der 2005 eingeführten Lkw-Maut in Autobahnen und Bundesstraßen. Seither habe der Lkw diese Investitionen „im wesentlichen allein finanziert, Steuermittel kamen kaum mehr zum Einsatz“, so IW-Verkehrsexperte Thomas Puls. Bereits 2011 deckte die Maut fast 90 Prozent der Investitionen in die Bundesfernstraßen. 2015 waren es 96 Prozent. Gleichzeitig investierte man „nicht im Ansatz genug, um den Substanzerhalt zu sichern: Viele der heutigen Probleme mit der Verkehrsinfrastruktur haben in dieser Zeit ihren Ursprung“. Nachdem der Bund ab 2015 wieder mehr ins Verkehrnetz investierte, wurde die Maut 2019 erhöht und auf die Bundesstraßen ausgeweitet. Künftig soll nur noch die Hälfte der Mauteinnahmen in die Fernstraßen fließen.

Die Ampel-Koalition argumentiert auch mit der verschäften Eurovignetten-Richtlinie (EU 2022/362), nach der bis März 2024 die Einführung einer CO2-Differenzierung und bis März 2027 eine Mautpflicht auch für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen verlangt wird. Doch die Gebühr von 200 Euro pro CO2-Tonne ist keine Brüsseler Willkür: Der EU-Mindestsatz liegt bei nur 100 Euro. Und im EU-Emissionshandel (ETS) wurden im ersten Halbjahr 2023 „nur“ 87 Euro verlangt. Alternativen haben die Spediteure keine. Sie können weder auf die Schiene noch auf die Wasserstraße ausweichen, weil das DB-Netz kaum mehr Güterverkehr verträgt und es an Binnenschiffen mangelt.

Es gibt keinen „Markthochlauf klimafreundlicher Fahrzeuge“

Absurd ist der Glaube an „emissionsfreie Lkw“ – diese werden aber bis Ende 2025 von der Maut befreit. Anschließend würden nur 25 Prozent für die Infrastrukturkosten erhoben. Doch Batterie-Lkws für den Schwerlast- und Fernverkehr gibt es nur in der Phantasie. Die wenigen Oberleitungs-Lkws fahren auf drei subventionierten kurzen Teststrecken. Ein Projekt wird zum Jahresende eingestellt. Der Einsatz von „schadstoffarmen“ Lkws scheitert an einem liefer- und bezahlbaren Angebot seitens der Hersteller. Von einem „Markthochlauf klimafreundlicher Fahrzeuge“, die laut Wissing nötig seien, „um unsere Klimaschutzziele zu erreichen“, ist bislang nichts zu spüren – sie seien laut IW „bislang nur in homöopathischen Mengen verfügbar“.

Deutschlandweit waren 2022 keine 2.500 Nutzfahrzeuge zugelassen, die die bis Dezember 2025 geltende Mautbefreiung in Anspruch nehmen könnten, in der gesamten EU lediglich etwa 4.000. Dem stehen laut IW in Deutschland etwa 460.000 Lkw größer als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht und 223.000 Sattelzugmaschinen gegenüber. Als negativ wirkt sich auch aus, daß der Einsatz von Biokraftstoffen nicht berücksichtigt wird. In Schweden, wo das der Fall ist, konnten die CO2-Emissionen des Lkw-Verkehrs durch die Förderung von Biodiesel seit 2011 annähernd halbiert werden. Allerdings konkurriert der Anbau von Raps, Mais und Getreide für Ökokraftstoffe mit der Nahrungsmittelerzeugung für eine wachsende Weltbevölkerung.

Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet damit, daß die Maut mangels praxistauglicher Alternativen ihre „Lenkungswirkung verfehlt“. Den Firmen bleibe daher nichts anderes übrig, als die steigenden Kosten in Kauf zu nehmen und weiterzugeben. Am Ende müßten sie in die Verbraucherpreise eingerechnet werden, warnte Ulrich Binnebößel, HDE-Leiter Logistik. Im Klartext: Die Preise steigen. Der Kunde zahlt die CO2-Zeche.

 www.bmdv.bund.de